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Porno-Dreh: Frau schwarzem in Ledertop, Mann mit schwarzer Ledermaske, Mann hält Kamera
Legende: Amateurpornos wirken authentisch und direkt. Dank dem Internet erreichen sie neue Höhepunkte. Philip Siegel (bearbeitet von SRF)

Der Reiz am Porno Die Amateure kommen: Wenn die Nachbarn Pornos drehen

Die Pornoindustrie macht schlapp, dafür boomen Amateurvideos. Was treibt den Briefträger und die Busfahrerin dazu, sich beim Sex zu filmen?

  • Durch das Internet ist das Geschäft der herkömmlichen Porno-Filmindustrie eingebrochen.
  • An ihre Stelle sind tausende Amateure getreten, die bei sich zuhause Sexvideos drehen. Amateurplattformen feiern grosse Erfolge.
  • Der Grund für den Erfolg: Das Internet ermöglicht einen direkten Kontakt zu Kunden. Amateure versprechen echten Sex, Authentizität, Begegnungen auf Augenhöhe.
  • Der Erfolg führt zur Professionalisierung. Zahlreiche Amateure können von ihren Videos leben. Dabei verschwimmt die Grenze zwischen Abenteuer, Nebenverdienst und Prostitution.

Lesedauer: 14 Minuten

Seit über 25 Jahren arbeite ich als Journalist, und bei keiner Story haben mich so viele Menschen überrascht wie beim Thema Amateurpornografie. Mitunter kam ich mir vor wie ein Forscher, der auf einem fremden Kontinent unbekannte Ethnien entdeckt: Ich traf auf völlig neue Verhaltensweisen, merkwürdige Riten und geheimnisvolle Codes.

Das Irritierende daran ist, dass sich die betreffenden Frauen und Männer gar nicht so sehr von mir unterscheiden – sie sprechen dieselbe Sprache und könnten meine Nachbarn sein. Aber: Sie drehen Pornos.

Mann und Frau beim Oralsex auf Bett, weiterer Mann filmt
Legende: Die einst potente Porno-Filmindustrie kann nicht mehr – dafür sind die Amateure auf dem Vormarsch. Philip Siegel (bearbeitet von SRF)

Amateure verdienen plötzlich Geld

Am Anfang steht die Frage: Wie konnte es dazu kommen, dass die klassische Porno-Branche in den letzten zehn Jahren zunehmend abgewirtschaftet hat und es jetzt die Porno-Amateurinnen und -Amateure sind, die über das Internet jede noch so kleine Fetisch-Nische ausfüllen und Millionenumsätze generieren?

Das liegt zum einen an dem Versagen der Profis: Sie haben das Internet verschlafen. Firmen wie die Essener Porno-Schmiede «Videorama» meldeten Insolvenz an, man hatte sich zu lange auf den Erfolgen der Vergangenheit ausgeruht.

Die Amateure nutzen dagegen die Möglichkeiten des Netzes, als wären diese extra für sie gemacht worden. Plötzlich können Kunden persönlich angesprochen werden, ein direkter Kontakt ist möglich. Amateure versprechen echten Sex, Authentizität, Begegnungen auf Augenhöhe. Doch bei den Amateuren droht die totale Kommerzialisierung.

50 Jahre Porno: Vom Kino zum Smartphone

In den 1970er-Jahren wurden Pornos professionell produziert und in Kinos auf grossen Leinwänden gezeigt. Die Produktionskosten lagen oft bei mehreren hunderttausend Euro.

Die Videokassette führte dann in den 1980er- und 90er-Jahren zum Untergang dieser Kino-Kultur. Die Videotheken erlebten dank Pornos ihre Blütezeit. Dadurch verschwand die Pornografie aus dem öffentlichen Raum und wanderte auf die TV-Bildschirme ins Wohnzimmer.

Die DVD führte dann Anfang 2000 zu einer Übersättigung des Marktes. Die Preise fielen, US-amerikanische Erzeugnisse überschwemmten den europäischen Markt.

Mit dem Internet und immer besseren Übertragungsraten kann man nun Pornografie über Gratis-Seiten kostenlos konsumieren. Viele Profi-Produzenten, vor allem in Deutschland, danken ab. Zehntausende Amateure verdienen sich mit kurzen Clips Geld dazu.

Innerhalb von 50 Jahren ist die Pornografie eingeschrumpft – von der grossen Kinoleinwand auf den winzigen Smartphone-Bildschirm.

Orgie in der eigenen Dreizimmerwohnung

Meine erste Recherche-Station liegt in einem biederen Essener Wohnviertel, fünfstöckige Mietshäuser, saubere Strassen, Recycling-Abfalltonnen. Ich bin zu Besuch bei Sonia, einer 25-jährigen angehenden Fitness-Trainerin, die heute in ihrer Dreizimmerwohnung mit einer Freundin eine Sex-Orgie veranstaltet.

Drei Personen beim Sex auf einer Matratze, mehrere Leute schauen zu.
Legende: Briefträger, LKW-Fahrer, Elektriker: Die Gäste von Sonias Porno-Dreh sind vorzugsweise unter 50 und berufstätig. Philip Siegel (Verpixelt von SRF)

Die Gäste sucht Sonia akribisch aus: Nicht älter als 50, höfliche Umgangsformen, nach Möglichkeit berufstätig. «Wer mich anschreibt und direkt vom Ficken redet, kann die Einladung vergessen», meint sie.

Fast immer kennt sie die Männer von einem der letzten Events, Stammgäste. Heute sind dabei: ein Briefträger, ein LKW-Fahrer, ein Elektriker, ein Fleischfachverkäufer, ein Fertigungstechniker, ein Maschinenbauingenieur, ein Bankangestellter und ein Zöllner.

Das erotische Buffet lockert die Stimmung

Sonia hat ein kleines – wie sie es nennt – «erotisches Buffet» inszeniert: Ihr Körper ist mit Erdbeerstückchen belegt. Die Herren picken sich kniend die Früchte von der nackten Haut. Das dient der Stimmungsauflockerung. Dann gibt Sonia das Startsignal.

«Jetzt legt mal los.»

Die Männer drängen an die zwei Frauen, man nimmt unterschiedliche Positionen ein. Ich stehe am Türrahmen und bin der einzige Mensch in dieser Wohnung, der bekleidet ist. Trotzdem kümmert sich keiner um mich. Ungeniert greift der Elektriker nach Sonias Brüsten, die ihrerseits mit ihren Händen zwei Männer gleichzeitig befriedigt.

Der Briefträger filmt derweil die Orgie. Man wechselt sich mit der Kamera ab. Zusätzlich hat Sonia eine Webcam aufgestellt. Alles wird live ins Netz übertragen. Wer zusehen will, muss zahlen.

Frau im Bademantel und zwei nackte Männer in der Küche
Legende: Drehpause bei Sonia – alles zieht es jetzt zur Kaffeemaschine. Philip Siegel (Verpixelt von SRF)

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Legende: ZVG

Philip Siegel arbeitet als Redakteur für das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Deutschland und als freier Autor. Sein Spezialgebiet sind Reportagen. Er ist regelmäßig als Trainer für TV-Journalisten tätig und lebt in Köln. Für zwei Bücher hat er ausführlich in der Pornoindustrie recherchiert.

Amateurplattformen als Pornomarktplatz

Das ist die neue Amateurpornografie. Vor allem das Internet hat sie möglich gemacht.

In den 1970er-Jahren bannten Wohnzimmer-Exhibitionisten ihre Sex-Fantasien noch auf Super-8-Filme, die dann in Sex-Shops vertrieben wurden. Heute kann jeder, der volljährig ist, seine Produkte über das Internet vertreiben.

Sogenannte Amateurplattformen fungieren dabei als Marktplatz. Wer sich kostenlos anmeldet, kann seine Clips vertreiben und den persönlichen Kontakt zu den Usern aufbauen.

Das ist der Unterschied zu den professionellen Produzenten: Jeder Kunde, also User, kann auf den Amateurplattformen den Darstellern schreiben, ja, diese sogar zu einem Dreh treffen. Das schafft Nähe, und Nähe ist der Treibstoff, der die Amateurpornografie zu einem lukrativen Geschäftsmodell gemacht hat.

Genaue Zahlen sind von den Amateurplattformen nur schwer zu bekommen. Man kann aber davon ausgehen, dass zum Beispiel in Deutschland etwa 50‘000 Frauen und Männer mit Porno-Clips Geld verdienen. Bei den meisten dürften das bestenfalls zweistellige Beträge sein, aber es gibt auch Amateure, die mit dem Sex vor der Kamera gut leben können.

Buchhinweis

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Philip Siegel:

  • «Porno in Deutschland. Reise durch ein unbekanntes Land». Belleville, 2010.
  • «Drei Zimmer, Küche, Porno – Warum immer mehr Menschen in die Sex-Branche einsteigen». Campus, 2017.

Hier kann man sich sexuell ausprobieren

Bei Sonia geht es derweil munter weiter. Tatsächlich haben alle Beteiligten ihren Spass. Es wird viel gelacht.

Mancher probiert sich auch aus, so wie Mike, der Maschinenbauingenieur, der sich Sonias High Heels und ihren pinken BH angezogen hat. Damit stolziert er nackt vor den anderen auf und ab, die dazu herzlich lachen, aber auch applaudieren.

Mir wird klar: Das hier ist mehr als nur eine Orgie, sondern auch ein geschützter Raum, in dem man Dinge ausprobieren kann. Wobei: Der eine oder andere trägt heute auch eine Maske. Das Risiko, erkannt zu werden, ist dann doch zu gross.

Sonia ist so eine typische Vertreterin der neuen Amateurpornografie: exhibitionistisch veranlagt, gleichzeitig geschäftstüchtig und selbstbewusst. Es gibt aber auch Amateure, die wollen gar kein Geld verdienen, die wollen neue sexuelle Erfahrungen machen.

Zwei Frauen räumen ein Wohnzimmer auf
Legende: Sie sind gekommen, jetzt gehen sie wieder: Nach dem Dreh wird das Filmstudio wieder zum Wohnzimmer. Philip Siegel (bearbeitet von SRF)

Echte Amateure wollen kein Geld

Ich bekomme einen Tipp und fahre nach Düren, etwas südöstlich von Essen. Dort steht das grösste Porno-Studio Deutschlands.

In einem umgebauten Supermarkt hat der Produzent Hajo Frings gut zwei Dutzend Räume eingebaut hat: Schlafzimmer, Büros, Arztpraxen, Nachtclubs, sogar einen Heuschober.

Deutsches Alltagsambiente für Amateurpornos, die ein Profi inszeniert. «Alles muss hässlich aussehen», meint Hajo Frings bei der kleinen Führung durch sein Reich. «Das erhöht den Realismus.»

Als Heuschober dekorierter Raum, in der Mitte Strohballen und eine Decke
Legende: Hässlichkeit für mehr Realismus: künstlicher Heuschober als Filmstudio. Philip Siegel

Frauen um die 50 suchen das Erlebnis

Heute veranstaltet der Produzent einen sogenannten Gang-Bang, also eine Sex-Orgie mit vielen Männern und wenigen Frauen. Die Frauen sind die Hauptdarstellerinnen – und sie sind Amateure: Diana, Petra und Manuela, alle um 50 Jahre alt und aus mehr oder weniger bürgerlichen Verhältnissen.

Ungewöhnlich, denke ich, aber warum sollten Frauen in dem Alter nicht auch Pornos drehen? Zumal Petras Begründung dafür auf viele Hobby-Pornografen zutrifft: «Ich suche die sexuelle Abwechslung, eine Auszeit vom Alltag. Hier kann ich was erleben, und befinde mich in einem sicheren Umfeld.»

Klar: Der Produzent hat die Aufsicht. Die 15 Männer, die gekommen sind – auch alles Amateure –, unterschreiben einen Vertrag, sind also namentlich bekannt. Es liegen Kondome bereit. Was Petra, die verheiratete Raumpflegerin, antreibt, ist der sexuelle Kick, ein Abenteuer. Privat könnte sie so einen Event nicht organisieren.

«An die Gewehre, Jungs»

In einem Studio mit vier kreisförmigen roten Polstern geht es los. Die glitzernden Leuchtketten, die von der Decke herabschwingen, könnten so auch in einem Swinger-Club für Stimmung sorgen.

«Es geht los. An die Gewehre, Jungs.» Hajo liebt die deutlichen Worte.

Schon bald hat sich ein Ablauf herausgebildet: Die Männer stehen um das runde Sofa, wer gerade Bock hat, wird tätig und tritt heran. Die Frauen greifen zu oder bieten sich an.

Männer stehen im Kreis um ein rundes Polster, drei Frauen sitzen darauf und befriedigen sie.
Legende: Es ist der sexuelle Kick, der sie antreibt: Amateure lassen sich bei einem Gang-Bang filmen. Philip Siegel (bearbeitet von SRF)

Ein älterer Typ hat nur noch sein T-Shirt mit dem Schriftzug «Bad Boy» an. Er zieht sich ein Kondom über, während er konzentriert Manuela dabei zusieht, wie sie einen anderen Mann gerade in sich eindringen lässt.

Alles ohne: fahrlässige Praktiken

Früher, also bis vor etwa zehn Jahren, war die Gesundheitsvorsorge an den Porno-Sets professionell organisiert: Es gab gründliche Gesundheitstest, die sorgfältig aufbewahrt wurden.

Heute erodiert dieses Verhalten an den Rändern. Es gibt sogenannte AO-Veranstaltungen, also «Alles ohne». Weder zuverlässige Tests noch Kondome. Das ist grob fahrlässig, wird selten praktiziert, wird aber in Zukunft eher zunehmen.

Petra hat gerade einen Orgasmus und presst sich dabei die Hand vor den Mund. Diana lacht vergnügt auf, als ein Mann auf ihren Brüsten kommt. Die drei älteren Frauen gehen voll mit. Da ist nichts gespielt. Das sind echte Amateure.

Dieser Dreh dauert fast eine Stunde, danach hat jede der drei Frauen noch einen Einzelauftritt. Das Material wird dann bei einem professionellen Anbieter zum Kauf angeboten.

Amateurpornografie als Abenteuerspielplatz für Erwachsene

Später sitzt Manuela im Foyer und trinkt eine Cola. Ihr Kopf ist noch gerötet. «Eben hatte ich ein paar heftige Orgasmen.» Im wirklichen Leben arbeitet Manuela als Büroangestellte in der Retourenabteilung eines Textilunternehmens.

Wie ausgerechnet ein Pornoset drei älteren Frauen dazu dient, ihre sexuellen Fantasien auszuleben – wie aus einem professionellen Raum ein intimer Erlebnisort für private Vorlieben wird – das finde ich beeindruckend.

Jenseits von moralischen Selbstverständlichkeiten nehmen sich hier die Frauen etwas heraus, was da draussen, in einem normativen Alltag, für Kopfschütteln sorgen würde. Amateurpornografie als Abenteuerspielplatz für Erwachsene: Das habe ich bei meinen Recherchen öfter erlebt.

Aber neben den Hobby-Produzenten wie Sonia oder den echten Amateuren wie den drei 50-jährigen Frauen gibt es noch eine dritte Kategorie im Amateurbereich: die sogenannten Profi-Amateure. Ein Begriff, der sich selbst kurzschliesst, aber zutreffender kaum sein könnte.

28 Amateure treffen auf 120 User

Meine nächste Recherche führt mich nach Hamburg. Auf dem Programm steht ein sogenanntes Amateur-User-Treffen. 28 Amateure treffen auf 120 User. Ein skurriles Spektakel.

Aber der Reihe nach. Amateure, die sich mit der Pornografie ihren Lebensunterhalt verdienen, müssen in der zunehmenden Konkurrenz bestehen können. Deshalb haben sich die Amateur-User-Treffen zu einem festen Bestandteil der Szene entwickelt.

Dort lösen Amateure das unausgesprochene Versprechen der Branche ein: «User, ich bin nicht nur virtuell, sondern auch real existent.» Bei diesen Veranstaltungen präsentieren sich die Amateure als Wesen aus Fleisch und Blut. Pornografie nicht nur zum Gucken, sondern auch zum Anfassen. Zum Mitmachen.

Kamera auf einem Salontisch
Legende: «Ohne Kamera würde ich das nicht machen», sagt der Teilnehmer eines Amateur-User-Treffens. Philip Siegel

Der Deal: Bildrechte gegen Sex vor der Kamera

Jeder der Männer, die heute Abend hier auftauchen, muss am Eingang ein Formular unterschreiben, mit dem er seine Bildrechte abtritt. Das ist der Deal: Tausche Bildrechte gegen Sex vor der Kamera.

So stärken die Amateure nicht nur die Bindung zum User, sondern bekommen als günstigen Nebeneffekt auch noch männliche Darsteller, die ohne Bezahlung vor die Kamera treten. Aber genau das führt manchmal zu Situationen, die nicht gerade geschäftsfördernd sind. Denn schon Profis haben als männliche Darsteller mitunter Probleme, vor der Kamera zu bestehen.

Pornokraftwerk im Keller

Der Nachtclub, der für dieses Amateur-User-Treffen angemietet wurde, hat sich komplett auf die originelle Kundschaft eingestellt. In der obersten Etage ist die Musik bis zum Anschlag aufgedreht.

Überall stehen Männer herum, meistens alleine, dazwischen wie kleine leuchtende Inseln die Amateure, die Frauen. Hier werden die Verabredungen getätigt. Oft hat man sich auch schon Wochen vorher auf den Amateur-Plattformen zum Dreh verabredet.

Der Keller ist das heimliche Zentrum der Nacht, sozusagen das Pornokraftwerk dieser mehr oder weniger improvisierten Clip-Massenproduktion. Sechs Kellerräume wurden mit einfachsten Mitteln zum provisorischen Set umgewandelt – mit Möbeln und Accessoires vom Sperrmüll, so jedenfalls wirkt das lieblos zusammengeschusterte Ambiente.

Auf dem Flur herrscht Drehstau. Immer wieder kommen Amateure mit ihren Usern die Treppe herunter und fragen Dieter, welcher Raum gleich für einen Dreh frei wird. Dann schaut Dieter, ein nett lächelnder Mann mit randloser Brille, auf sein Klemmbrett und runzelt die Stirn. «Alles besetzt.»

Wem Pornos anzuschauen nicht mehr reicht, macht selbst mit

Heute Nacht werden hier fast 60 Porno-Clips entstehen, aufgenommen wie am Fliessband. Wie kann es sein, dass sich immer mehr Menschen beim Sex filmen lassen wollen?

Die Antwort, die ich an diesem Abend gleich mehrfach bekomme, ist so einfach wie einleuchtend: Weil immer mehr Menschen genau das wollen, nämlich pornografischen Sex vor der Kamera. Teil werden einer Fantasie, die man selbst als Seherfahrung schon oft genug hatte – nun selbst Porno zu machen, verspricht einen neuen Kick.

Oft genug habe ich von Amateur-Darstellern bei Dreharbeiten gehört, dass es eben dieser Reiz sei, vor der Kamera zu agieren. «Ohne Kamera würde ich das nicht machen», erzählte mir ein Beamter, der in einem Job-Center arbeitet.

Profi-Amateure mieten Dreh-Wohnungen an

Genau das haben die Frauen erkannt, die aus einer anfänglichen Nebentätigkeit ihren Haupterwerb gezimmert haben. Die Profi-Amateure, die sich gerne als authentisch und nahbar gerieren, sind in Wirklichkeit längst Geschäftsfrauen. Die erfolgreichsten von ihnen dürften bis zu 10‘000 Euro im Monat verdienen.

Es gibt Profi-Amateure wie die Berlinerin Aische Pervers, die eigens eine Dreh-Wohnung gemietet hat, in der sie für die Kamera simulieren kann, ganz privat zu sein. Andere wie die rothaarige Lexy Roxx haben sogar eine eigene Modelinie kreiert und verkaufen auf Sex-Messen ihre DVDs und Plakate an die Fans, viele davon übrigens weiblich.

Rothaarige, lächelnde junge Frau neben jungem Mann
Legende: Profi-Amateurin Lexy Roxx mit Fan auf einer Sex-Messe. Philip Siegel

Exklusiv-Deal für besseren Verdienst

Lucy-Cat, ebenfalls Profi-Amateurin, hat es sich im Bar-Bereich des Nachtclubs gemütlich gemacht. Sie dreht heute nicht, ihre Brust-OP ist noch zu frisch, Schonung ist angesagt.

Sie arbeitet exklusiv für eine Amateurplattform, das heisst, sie bekommt mehr von dem Kuchen, der verteilt wird. Von jedem eingenommenen Euro verdient die Plattform 75 Cent, 25 Cent gehen an die Amateurin.

Lucy sieht sich als Profi, der auf – wie sie sagt – Qualität achtet. Gute Bilder. «Ich hoffe, dass ich immer Spass beim Drehen haben werde und dass Porno ein Teil meines Lebens bleiben wird.» Das alles wirkt ein wenig wie einstudiert, aber so sind Profis nun mal.

Amateurpornografie passt ins Zeitalter der sozialen Medien

Diese Profi-Amateure sind nur noch ein Label, die kommerzialisierte Seite eines Versprechens, das seinen Anfang in den Super-8-Filmen der 1970er-Jahren nahm. Jetzt, in den Zeiten des Internets, stösst dieses Versprechen an seine Grenzen, weil es immer mehr ums Geld verdienen und immer weniger um den Ursprungsgedanken authentischer Sexualität geht.

Gleichzeitig passt diese Form der Pornografie in die Zeit der sozialen Medien. Die Amateurpornografie ist sozusagen die Königsdisziplin der exhibitionistischen Aufmerksamkeitsgenerierung – mehr Selbstdarstellung geht nun mal nicht.

Gleichzeitig wird der Grat zwischen sexueller Banalisierung und dem ungefährlichen und selbstbestimmten Ausleben sexueller Fantasien immer schmaler. So schmal, dass es manchmal gar nicht mehr um Pornografie geht.

Zwei Frauen sprechen miteinander
Legende: Profi-Amateurin Aische Pervers hat eigens eine Wohnung gemietet, um dort Pornos zu drehen. Philip Siegel

Aus Pornografie wird Prostitution

Denn längst haben Prostituierte die Amateurplattformen als eine Art Werbemedium für sich entdeckt. Mit Clips werben sie für ihre Vorzüge, geköderten Usern wird dann ein Angebot zu bezahltem Sex gemacht.

Aber nicht nur das: Immer häufiger laden Porno-Amateure ihre User gegen Bezahlung zum Drehen ein. Sie selbst behaupten dann, es handle sich um eine Aufwandsentschädigung, aber würde man die Kamera wegnehmen, würde aus Pornografie ganz schnell Prostitution.

Eigentlich ist es verwunderlich, dass viele Amateure, die dieses Vorgehen bereits praktizieren, so vehement auf ihren Status als Porno-Darstellerin beharren. Als wäre es ein sozialer Abstieg, wenn man plötzlich als Prostituierte bezeichnet würde.

Porno-Amateure können also ganz unterschiedliche Akteure sein

So wird klar, dass der Begriff «Porno-Amateur» als eine Art Sammelbecken für eine Vielzahl von unterschiedlichen Motiven fungiert.

Porno-Amateure können Menschen sein, die das sexuelle Abenteuer suchen, nebenher mit Porno Geld für die Urlaubskasse verdienen oder als Profi-Amateure gar ihren Lebensunterhalt bestreiten. Oder sie sind schon gar keine Amateure mehr, sondern haben sich längst als Prostituierte aufgestellt.

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