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100 Jahre Hodler Ferdinand Hodler, ein Meister des Selbstmarketings

Als Ferdinand Hodler am 19. Mai 1918 in seiner Genfer Wohnung starb, war er ein reicher, berühmter Mann. Dabei hatte sein Leben sehr ärmlich begonnen.

Geboren wurde er als Sohn eines ärmlichen Berner Schreiners. Seine erste Ausbildung erhielt er bei dem Thuner Vedutenmaler Ferdinand Sommer, der kleine Landschaftsansichten an Reisende verkaufte.

Lehrjahre in Genf

Mit Fleiss, Ehrgeiz, einem Gespür für Themen und Motive und gewieften Marketingstrategien bildete sich der junge Mann aus prekären Verhältnissen zum erfolgreichen Künstler aus. 1871 ging Hodler nach Genf. Dort traf er Barthelemy Menn, der damals eine bekannte Malschule unterhielt. Menn nahm Hodler als Schüler auf und machte ihn mit dem Kunstmarkt bekannt.

Der Kunsthistoriker Oskar Bätschmann hat sich intensiv mit Leben und Werk Hodlers auseinandergesetzt und berichtet über die Erfolgsstrategien des Künstlers.

Oskar Bätschmann

Kunstprofessor

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Oskar Bätschmann ist emeritierter Kunstprofessor und leitet eine von Nationalfonds geförderte Forschungsgruppe, die seit 20 Jahren an einem detaillierten Catalogue raisonné zu Hodlers Werk arbeitet. Er lehrte lange an der Universität Bern und war an zahlreichen nationalen und internationalen Forschungsprojekten beteiligt.

SRF: Wie hat Ferdinand Hodler in Genf Karriere gemacht?

Oskar Bätschmann: 1873 kommt einer der grossen Ausstellungskünstler in die Schweiz, Gustave Courbet, und lässt sich am Genfersee nieder. Er macht dort sozusagen ein Privatmuseum auf, beteiligt sich an Ausstellungen in Genf. Hodlers Lehrer Barthelemy Menn kennt Courbet gut: Courbet, das Muster eines Ausstellungskünstlers, wird zum wichtigen Vorbild für Hodler.

Bild von Ferdinand Hodler
Legende: Ferdinand Hodler ist heute wohl der bekannteste Schweizer Maler des 19. Jahrhunderts. Seine Werke finden sich in allen Museen dieser Welt. Keystone/Peter Klaunzer

Was ist ein Ausstellungskünstler?

Das ist etwas Neues im 19. Jahrhundert. Das sind keine am Hof angestellten Künstler mehr, die ausführen mussten, was ein Fürst wünscht. Es sind auch keine Porträtmaler. Es sind Künstler, die, wie Künstler dies heute noch tun, eigene Werke schaffen, nach ihren Vorstellungen und diese dem Publikum präsentieren. Gustave Courbet war ein sehr erfolgreicher Ausstellungskünstler. Ebenso wie Eduard Manet.

Und von diesen Künstlern hat Hodler sich abgeschaut, wie man sich Erfolg aufbaut?

Hodler hat sehr genau gelernt, wie man sich verhalten muss, um zu Erfolg zu kommen. In Genf gab es damals eine unglaubliche Künstlerförderung, wie man sich das heute nicht mehr vorstellen kann. Es gab fast jedes Jahr Wettbewerbe, und Hodler hat an fast allen Wettbewerben teilgenommen – und sehr viele davon gewonnen.

Hodler hat an fast allen Wettbewerben teilgenommen und oft gewonnen.

Die Preissummen waren unglaublich. Auf heutige Kaufkraft umgerechnet betrugen sie bis zu 50'000 Franken. Mit diesem Geld hat er neue, grosse Werke geschaffen. 1878 wollte er zum Beispiel mit dem Preisgeld aus einem Wettbewerb «Das Turner Bankett» für die Weltausstellung in Paris fertigstellen. Das ist in diesem Fall nicht gelungen, weil das Bild zu gross war.

Paris war ein wichtiger Anziehungspunkt für die Kunstwelt.

Ja, aber da gibt es ein Rätsel. 1878 malt Hodler das «Turner Bankett», zeigt es in der Schweiz. Aber im Herbst geht er anstatt nach Paris nach Madrid.

Was macht er in Madrid?

Er malt einige Bilder, Porträts für Geld, einige Landschaften. Er zeichnet Strassenszenen. Und er geht in den Prado und kopiert Bilder. Er hat eine Kopiererlaubnis, doch wir wissen nicht, was er kopiert hat. Es sind keine Kopien vorhanden.

Er notiert in sein Heft. Rafael, Velasquez, Dürer, Holbein, Rubens machen ihm grossen Eindruck. Man hat sich immer gewundert: Warum geht der Kerl nach Madrid? Man hat ganz vergessen, dass in Frankreich von den 1840er Jahren an bis 1880 Spanien die grosse Mode ist.

Die spanische Malerei gerät in den Ruf, ursprüngliche Malerei zu sein.

Die französischen Maler Courbet, Degas Manet sind Hispanisten. Alle gehen in den Prado, orientieren sich an der spanischen Malerei, an Velasquez und Goya. Die spanische Malerei gerät in den Ruf, ursprüngliche Malerei zu sein. Es gibt einen Trend, nach Spanien zu gehen. Hodler folgt dem. Ausserdem kommt 1875 noch der Wahnsinnserfolg der spanischen Femme Fatale Carmen hinzu.

Hodler war also ganz im Zeitgeist?

Ja, das kann man so sagen.

Das Interview führte Alice Henkes.

100. Todestag – Hodler Ausstellungen

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Die Genfer Ausstellung «Hodler//Parallélisme» im Musée Rath ist bis 19. August zu sehen. Ab 13. September übernimmt das Kunstmuseum Bern die Ausstellung, in leicht modifizierter Form.

Das Kunstmuseum Winterthur zeigt «Ferdinand Hodler und Alberto Giacometti – eine Begegnung» noch bis am 19. August 2018.

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