Heidi Abel bringt es in ihrem Gespräch 1979 auf den Punkt: Kenzo ist ein Outsider. Ein Aussenseiter, aber auch: aussergewöhnlich.
Eine aussergewöhnliche Person ist der Japaner nicht erst, als er in der westlichen Modewelt Fuss fasst. Als er noch in seiner Heimat lebt, ist Kenzo Takada – so lautet sein voller Name – der erste Mann, der an der Modeschule in Tokio studiert. Bisher war sie den Japanerinnen vorbehalten.
Später reist der junge Modedesigner mit dem Schiff an seinen Sehnsuchtsort Paris. Die Fahrt dauert sechs Wochen lang, geht über Indien und Afrika. Diese Eindrücke inspirieren ihn fortan in seinen Entwürfen.
Muster am Puls der Zeit
Die erste Boutique in Paris eröffnet er 1970. Noch trägt sie den Namen «Jungle Jap», bald läuft sie aber unter seinem Vornamen. Kenzo mischt japanische Materialien und Schnitte mit europäischer Mode, lässt sich auch von anderen Kulturen beeinflussen.
Kenzos Kennzeichen sind Dschungelmotive, Muster und leuchtende Farben, die man sonst bei Missoni oder Emanuel Ungaro antrifft. Das habe die Menschen fasziniert, sagt Modeexpertin Noëmi Gradwohl: «Mit seinen ungemein bunten, florealen Kreationen hat er Ende der Sechzigerjahre den Nerv der Zeit getroffen.»
Der knallige Ethnolook ist neu auf dem Markt – und erfolgreich. Kenzo steht bald für die Mode-Elite, zu der Issey Miyake, Karl Lagerfeld und Yves Saint Laurent zählen.
(Auf dem Foto: Kenzo, Yves Saint Laurent und Giambattista Valli)
Gleichzeitig macht er keine Haute Couture, präsentiert nur Prêt-à-porter-Mode. Auch das ist eine Besonderheit des japanischen Modedesigners. «See now, buy now», lautet das Motto.
Modeschau im Zirkus Knie
Zur gleichen Zeit wie der Besuch in Heidi Abels Sendung «Musik und Gäste» zeigt Kenzo seine Mode in Zirkuszelten – auch in der Manege von Zirkus Knie. Die Models tragen durchsichtige Uniformen, er selber präsentiert sich am Ende auf dem Rücken eines Elefanten sitzend.
Wenn sein Landsmann Issey Miyake sagt: «Seine Kleidung macht jeden Menschen glücklich», kann man das (beinahe) wörtlich nehmen: Ab 1983 entwirft Kenzo auch Kleider für Männer, später kommen seine Parfüms auf den Markt, die heute für weniger als 30 Franken im Discounter erhältlich sind.
«Er hat den Riecher für kluge Marketingstrategien», sagt Noëmi Gradwohl. Kenzo für alle, Kenzo, der «König der Boutiquen»: So kündigt ihn Kurt Aeschbacher 1987 an.
Noch immer gibt sich der Modemacher zurückhaltend, ist sogar geniert, nachdem die Models seine Kleider am Schweizer Fernsehen präsentieren: Vor allem seine Fehler habe er dabei gesehen, gibt Kenzo zu.
Dunkle 1990er-Jahre
Mit dem Beginn eines neuen Jahrzehnts kommen schwere Zeiten auf den Modemacher zu: 1990 stirbt Kenzos Lebenspartner Xavier de Castella, ein Jahr später seine Mutter.
1993 verkauft Kenzo seine Marke an den französischen Luxusgüterkonzern LVMN. Seit der Jahrtausendwende wird die Marke ohne den Modemacher geführt.
Kenzos Nachfolger haben den Tigerkopf mit dem Kenzo-Schriftzug im Rachen kreiert. «Dieses neue Markenzeichen, das auf vielen Sweatshirts und T-Shirts zu sehen ist, gilt als Kommerz», sagt Noëmi Gradwohl.
Noch immer schöpferisch
Kommerz hin oder her: Kenzos Kreationen werden heute noch immer von Stars aus Pop- und Filmwelt getragen, weiss auch Noëmi Gradwohl.
Und Kenzo selbst? Ist immer noch aktiv. Er entwirft Inneneinrichtungen, malt Bilder, bringt Parfüme auf den Markt – und entwirft ab und zu auch neue Kleider.