Lange Jahre hat Stefan Gritsch an der Hochschule Luzern junge Künstlerinnen und Künstler ausgebildet. Jetzt zeigt er in der Ausstellung «Bones n’ Roses» im Aargauer Kunsthaus Aarau, was er seit der Pensionierung im Atelier treibt – und das ist allerhand.
Wie viele andere Künstler arbeitet auch Stefan Gritsch mit Farbe. Bloss produziert er damit nicht nur Bilder, sondern auch Objekte.
Unzählige Acrylfarbschichten werden mit viel Geduld übereinander gestrichen. Jeden Tag kommt eine neue Schicht dazu, denn die alte muss erst trocknen. So wachsen die Farb-Körper in einem Monat ungefähr zwei Millimeter.
Erst Schicht, dann Körper
Über zwei Jahre verstrich Gritsch nach dieser Methode eine Tonne Farbe für das Kunstwerk «For Your Eyes & Your Touch», das am Flughafen Zürich steht.
Es dauert ewig, bis aus den Schichten richtige Körper entstehen. Gritsch giesst Objekte mit weichen Formen oder sägt das Gegossene zu viereckigen Farbblöcken. Die farbigen Maserungen der Objekte weisen sichtbar auf die Geschichte der Entstehung.
Umschlungen von Farbe
Diese Geschichte setzt sich auf den Wänden der Ausstellung im Aargauer Kunsthaus ab, denn Stefan Gritsch verwandelte einen seiner Farbblöcke in die Installation «Inversion».
Die Aussenhaut des Klotzes wird zur Tapete, die hohe Museumsräume verkleidet und die Besucherinnen und Besucher nun umschliesst. Was langsam wächst und trotzdem klein bleibt, ist plötzlich riesig. Und was man als Besucherinnen sonst umrundet, umgibt einen jetzt.
Kunst aus Karten
Stefan Gritschs Kunst verschiebt Sachen, Ansichten, Kontexte und unsere Wahrnehmung – auf einfache, aber geniale Weise.
Seit 30 Jahren nutzt er etwa Grafiken, die in Zeitungen politische Konflikte erläutern, für seine Kunst. Gritsch sammelt Karten von Ruanda, Syrien, Libyen, Sudan und macht aus den Strichen und Linien Ornamente und Blumenbilder.
Diese Verwandlungen betreibt Gritsch ganz bewusst und spricht von «Beschönigungen», wenn aus einer Karte, die einen Konflikt erklärt, eine schöne Blume wird.
Die Diskrepanz interessiere ihn, sagt der Künstler. Und die Information, die einer schlichten Linie stecke.
«Hoffentlich ist wieder etwas passiert!»
Denn der Strich auf einer Karte ist als Grenze bedeutsam, sorgt für Konflikte und Fluchtbewegungen, die Europa derzeit gerne von sich fernhielte. Obwohl europäische Kolonialmächte diese Grenzen einst durch ihre Herrschaftsgebiete zogen.
Der ganze Kontext steckt in der Linie, die Gritsch weiterverwendet. Der Künstler hat das wahrgenommen, genutzt, und er nimmt wahr, was mit ihm selbst passiert: «Das Schlimmste ist eigentlich diese Geilheit. Ich schlage die Zeitung auf und denke: Hoffentlich ist wieder etwas passiert!»
Die Ausstellung von Stefan Gritsch im Aargauer Kunsthaus zeigt, wie ein Künstler seit 30 Jahren dranbleibt. Wie er, was in dieser Zeit entsteht, hinterfragt, wiederverwendet und weiterverarbeitet.
Dass das bei Gritsch zu so umwerfend guter Kunst führt, hat viel damit zu tun, dass er geduldig ist und ziemlich uneitel.
Er glaubt nicht an geniale Künstlerköpfe. Statt auf Inspiration setzt er auf Regeln, giesst geduldig Farbblöcke und verarbeitet sie weiter. Oder er sammelt die Knochen, die er seit 30 Jahren für seine Bouillon auskocht, und überlegt dann, was man damit noch anstellen könnte. Im Moment verwandelt er sie zu Blumen oder malt mit Fleischfarbe das Fleisch wieder dran.