«Die Frage der Provenienz» heisst die neue Ausstellung im Museum Rietberg. Es geht um die Frage, wie die Objekte aus den Herkunftsländern in die museumseigene Sammlung gelangten.
Was wurde geraubt, was getauscht, was zu welchem Preis gekauft? Dieses Herkunftswissen liefert die Grundlage, um Entscheide über allfällige Rückgaben zu fällen.
Blick auf Provenienzlücken
Der Rundgang durch die Dauerausstellung wurde von Esther Tisa-Francini erarbeitet, Provenienzforscherin im Museum Rietberg. An zehn ausgewählten Stationen vermittelt sie, wie sich Handelswege, Kunstmarkt und europäischer Geschmack entwickelten.
Die Schau führt von altindischen Tempelwächterfiguren über ozeanische Masken und altperuanische Textilien bis hin zu kleinen Amuletten aus Nordamerika, die kaum Spuren hinterlassen haben. Sie benennt Provenienzlücken und scheut vor heissen Eisen nicht zurück.
Das macht bereits das Ausstellungsplakat deutlich, auf dem die Rückseite einer Maske abgebildet ist. Darauf finden sich zwei Nummern. Eine davon ist die Verkaufsnummer des Händlers. Aus dieser Nummer lässt sich schliessen, dass die Maske mit dem Raubzug in Zusammenhang steht, den britische Kolonisatoren 1897 in Nigeria durchführten.
Für Esther Tisa ist klar: Solche Objekte sind in der Provenienz belastet. «Wir stellen uns dieser Geschichte» so die Provenienzforscherin, man sei in Bezug auf die Maske und zwei weitere betroffene Objekte offen für Gespräche «in welcher Form auch immer». Bis anhin bestehen keine Restitutionsforderungen.
Nicht alles geraubt
Die Ausstellung zeigt aber nicht nur Provenienzlücken und problematische Hinweise, sie zeigt auch, dass Differenzierungen wichtig sind. Nicht alle Kunstwerke aus Benin-City wurden wie die Maske geraubt. Manche wurden später vor Ort erworben, wie ein schöner, kleiner Leopardenkopf.
Können aber auch Verkäufe unter Umständen als unrechtmässig angesehen werden? Analog zu den Kunstverkäufen, die jüdische Flüchtlinge tätigen mussten, um ihre Flucht aus dem NS-Regime zu finanzieren, stellt sich die Frage nach der Rechtmässigkeit der Kaufverträge.
Wann nutzten Kolonisatoren oder ihre Handelspartner wie die Schweiz ihre Macht, um beispielsweise den Preis zu drücken? Wenn es um Rückgaben bei Verkäufen geht, ist Provenienzforscherin Esther Tisa skeptisch: «Da wäre ich sehr vorsichtig».
Es wird geforscht und verteidigt
Diese Frage ist weitgehend unerforscht. Auch darum macht sich das Museum Rietberg die nächsten vier Jahre in Zusammenarbeit mit der Uni Zürich und unterstützt vom Schweizerischen Nationalfonds an die Erforschung des Nachlasses von Hans Himmelheber. Als Ethnologe und Händler erwarb er ab 1933 in West- und Zentralafrika Kunstwerke, die Umstände sind im Nachlass dokumentiert.
Mit diesem Forschungsprojekt verstärkt das Museum Rietberg seine Bemühungen um Provenienzforschung. Die Kaufumstände von Kunst aus kolonialen Erwerbungen zu erforschen, bedeutet aber auch, an der eigenen Verteidigungsstrategie zu arbeiten. So ist das Museum gewappnet, falls es doch einmal zu Rückgabeforderungen käme.