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Kunst «Blind sein bedeutet, anders zu sehen»

Pina Dolce ist mit 15 Jahren erblindet. Heute, mit 47, arbeitet sie erfolgreich als Künstlerin, malt, fotografiert und dreht Videos. Vor zwei Jahren gewährte sie in einem Film tiefe Einblicke in ihr Leben. Die anschliessenden Reaktionen haben sie in ihrem Umgang mit dem Blindsein bestätigt.

Im Dokfilm «Pina Dolce: In der Nacht fliegt die Seele weiter» hat Sie der Journalist Peter Jäggi mit der Kamera begleitet. Der Film wurde erstmals im Dezember 2013 im Schweizer Fernsehen gezeigt. Wie hat dieser Film Ihr Leben verändert?

Pina Dolce: Dank dem Film konnte ich neue Projekte anreissen und Kontakte etablieren. Im vergangenen Jahr konnte ich meine Bilder schon zweimal ausstellen. Man steht anders in der Welt, wenn man seine Arbeiten zeigen kann, neu habe ich auch eine Website. Der Film hat mir auch die Türen zu zahlreichen wertvollen Begegnungen geöffnet. Er war wie ein Sprungbrett für mich, um neue Räume zu erobern. Er gab mir wieder verstärkt das Gefühl, integriert und mit der Welt verbunden zu sein.

Zur Person

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Pina Dolce wird 1968 in Basel geboren. Mit 15 Jahren erblindet sie und findet in einer kunstorientierten Therapieausbildung zur Kunst. Mit 20 Jahren engagiert sich in Boston in der Kunst- und Performanceszene. Später studiert sie an der Universität Fribourg Pädagogik, Ethik und Umweltwissenschaften. Sie ist verheiratet und Mutter eines Sohnes.

Das waren Sie ja schon immer, sie studierten in den USA und in Fribourg, waren im Projektteam für die Blinde Kuh (ein Restaurant, wo man in völliger Dunkelheit speist und von blinden Menschen betreut wird), haben Museen beraten für Führungen mit blinden Menschen und vieles mehr.

Ja, das stimmt. Aber der Film hat mich, das kann ich im Nachhinein sagen, reichlich beschenkt. Ich hatte auch ein wenig Respekt, einem grösseren Publikum diese Einblicke in meine Seele, mein Familienleben und meinen Alltag zu gewähren. Aber es hat sich gelohnt. Ich habe jetzt noch mehr Mut. Es berührt, dass mich auch heute noch Leute darauf ansprechen.

Mein Sohn Viviano hat die Aufmerksamkeit auch genossen. Kürzlich trafen wir eine Frau mit einem Hund und Viviano, mittlerweile 6 Jahre alt, meinte: Meine Mutter hatte auch so einen Hund, kennst du sie, sie war im Fernsehen? Und dann hat sich auch eine sehr schöne Freundschaft mit einer Künstlerin im Quartier entwickelt, die mich nach der TV-Ausstrahlung angesprochen hat.

Würden Sie heute etwas anders machen?

Eigentlich nichts, es stimmte für mich. Meine Bedingung war, dass ich ein ganz grosses Bild malen und auch selber mit der Kamera meinen Sohn Viviano drehen wollte. Und ganz wichtig: Es ging im Film nicht um die Definition eines Mankos, sondern darum, wie ich mit dem Leben umgehe. Das konnte ich gut zeigen, und habe so auch vielen Leuten Mut gemacht.

Ich hinterfrage nicht das Blindsein, sondern den Umgang damit. Ich will es weder verherrlichen noch dramatisieren. Ich bin einfach blind und das macht das Leben manchmal sehr kompliziert. Blind sein, bedeutet nicht, nichts zu sehen, sondern anders zu sehen.

Was gefällt Ihnen gut an diesem Film?

Ich habe viele Rollen, es geht nicht nur um die Definition eines Mankos, sondern wie man damit umgeht im Leben. Ich bin Mutter, Geliebte, Künstlerin, Beraterin, ich habe ein schönes und spannendes Leben. Selbstmitleid liegt mir fern. Ganz wichtig ist mir auch, dass es keinen Jöh-Effekt gibt. Der Film hat mich darin bestätigt und mir Selbstvertrauen gegeben. Ganz nach dem Motto: Sei, wer du bist: ehrlich, offen und klar.

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