Ich treffe Sabine Portenier in ihrem grossräumigen Atelier im Thuner Selve-Areal, einer umgenutzten Metallgiesserei. Als ich eintrete, ist sie gerade damit beschäftigt, mit ihrer Mitarbeiterin, der Damenschneiderin Rebecca Lüthi, einen weissen Stoff unter dem Zuschneidetisch hervorzuziehen.
«Wir haben keine weissen Blusen mehr», erklärt die Designerin. «Es ist unser Basismodell und wir müssen diese Bluse wieder anfertigen.» Die Schneiderin breitet den Stoff auf dem Tisch aus und beginnt, ihn zuzuschneiden. Sechs Stück soll sie nähen.
Eher Kunsthandwerkerin, statt Künstlerin
Sabine Portenier führt mich unterdessen zu langen Kleiderstangen am Eingang des Ateliers. Hier hängen viele ihrer Kreationen. Denn das Atelier nutzt sie auch als Laden. Noch eine weisse Bluse hängt hier.
«Beim Design der Bluse bin ich von Vierecken ausgegangen», erzählt Sabine Portenier. «Seit meinem Studium beschäftige ich mich mit geometrische Formen wie Rechteck, Dreieck und Kreis.» Es interessiere sie, den organischen Frauenkörper mit den geometrischen Formen zusammenzubringen, ihn zu umspielen.
Das klingt, als ob sie den Körper wie ein Kunstobjekt behandle. Doch sie versteht ihren Designansatz anders: «Ich bin eher Kunsthandwerkerin, nicht Künstlerin.»
Sonia Delaunay: eine Quelle der Inspiration
Einen Namen gemacht hat sich Sabine Portenier jedoch mit Entwürfen, die zumindest Künstlerinnen und Kunstthemen aufgreifen. Ihre jüngste Kreation hat sie der russischen Avantgarde-Künstlerin und Designerin Sonia Delaunay gewidmet. Auch diese hat sich mit Formen auseinandergesetzt. «Ihre Stoffentwürfe und die Stimmung der Bilder haben mich geprägt.»
Als Beweis geht sie zu einem prall gefüllten Bücherregal am anderen Ende des Raumes und zieht einen ziemlich abgegriffenen Bildband hervor: «Das ist eines meiner ersten Bücher, die ich bekommen habe.» «Sonia Delaunay. Mode und Design» steht drauf.
Für ihre aktuelle Kollektion hat sich Sabine Portenier wiederum von den geometrischen Spielereien der Künstlerin beeinflussen lassen. Die Thuner Designerin geht zurück zu den Kleiderstangen und greift nach einer kurzen Bluse aus Leopardenstoff. «Diesen Stoff habe ich einmal geschenkt bekommen und wusste nie so recht, was ich damit anfangen soll», sagt sie verschmitzt.
Plötzlich habe sie die Idee gehabt, ein kirschrotes Gitter draufzusticken. «Damit ist das doch sehr angestaubte Muster frisch und überraschend geworden.» Sonia Delaunay habe sie dazu inspiriert.
Nicht nur die Kunst inspiriert sie
Nicht immer ist der Ursprung ihrer Entwürfe derart konkret auf die Kunst zurückzuführen. «Manchmal ist es auch ein Geruch, der mich auf eine Idee bringt. Oder Farben.»
Reisen nach Indien haben sie für einen Stoff inspiriert, der lila schimmert: Er ist mit silbernen Lurex-Fäden durchwirkt. Der Jupe, den sie daraus kreiert hat, nimmt zudem den Faltenwurf der traditionellen Saris auf. Oder sie habe einen Radiergummi mit Farbe bepinselt und einen hellen Stoff damit bedruckt. Sie sei oft in Künstlerkreisen – Pinsel und Farbe seien ihr bestens vertraut.
Hier zeigt sich: Es ist eine Mischung aus Alltagsbeobachtungen, Kunst und Lebensart, welche Designerin Sabine Portenier inspirieren.