Der Kunstkritiker der New York Times nannte Evelyn Hofer die «berühmteste ‹unbekannte› Fotografin der USA». Sie blieb fast 50 Jahre lang ein Geheimtipp. Obwohl ihre Fotos von beeindruckender Qualität sind.
In der Fotostiftung Schweiz sind die Bilder von Evelyn Hofer (1922-2009) nun zu entdecken. Zum Beispiel Stillleben, die wie gemalt wirken. Unspektakuläres Grünzeug wie Randen oder Brokkoli werden wie Königinnen präsentiert. Auch für ihre Portraits setzte Hofer auf ausgeklügelte, malerische Kompositionen. Und dank des aufwendigen Druckverfahrens leuchten die Farben stark gesättigt.
Blick für das Wesentliche
Die gebürtige Deutsche emigrierte mit ihrer Familie in den 30er Jahren nach Spanien, dann ins Bergell, später nach Mexiko, bis sie 1946 in New York landete und dort als Modefotografin zu arbeiten begann.
Nicht besonders erfolgreich, denn Hofer interessierte sich nicht für Kleidung, sondern portraitierte die Modelle. Das Portrait ist ihre Form. Egal, ob sie Menschen, Interieurs oder Strassenszenen ablichtete.
Hofer jagte nichts
Dabei «schoss» Hofer keine Bilder. Sie glaubte nicht an Schnappschüsse und den entscheidenden Augenblick, sondern an sorgfältige Vorbereitung und Inszenierung. «Sie wartete nicht darauf, dass ihr dieser Moment zuflog, sie schuf ihn», sagt Madleina Deplazes von der Fotostiftung Schweiz.
Hofer inszenierte ihre Portraits sorgfältig, behandelt die Menschen vor ihrer Linse aber nie als Sujets. Ob Zimmermädchen in Irland, Bergleute in Wales oder Polizisten in Washington: Die Menschen machen bei Hofer keine Fotogesichter und wirken locker, obwohl sie fürs Foto «aufgestellt» werden.
Sensation in Farbe
Zu entdecken sind in Winterthur aber insbesondere die frühen Farbfotos von Evelyn Hofer. Wie viele andere EmigrantInnen entdeckte sie nach dem zweiten Weltkrieg New York. Hielt Strassen, Bars, Reklameschilder und Neonschriften fest.
Doch Hofer lässt sich nicht überwältigen, sondern analysiert die Grossstadt. Sie zeigt, wie luxuriöse Glasfronten auf Abrissmauern treffen und billiges Rot auf Flieder und ein kränkliches Grün.
Seit 1953 setzt Evelyn Hofer Farbe als gestalterisches Element in ihren Fotos um. Lange vor William Eggleston, der gemeinhin als Wegbereiter der künstlerischen Farbfotografie gilt.