«Pitchen» bedeutet so viel wie feilbieten, bewerben. Bei «Pitches» in der Grafikbranche werden Gestalter aufgefordert, ihre eigene Arbeit anzupreisen. Dafür rufen Unternehmen Grafikerinnen und Agenturen dazu auf, in einem Wettbewerbsverfahren gute Entwürfe einzureichen.
Seit einigen Jahren gibt es immer mehr dieser Pitches. Das sei heute üblich, heisst es in der Branche.
Das sei nicht üblich, sondern unverschämt, kontert Grafiker Erik Spiekermann . Der renommierte deutsche Gestalter, Typograf und Autor ist einer der schärfsten Kritiker der Grafik-Pitches.
Die Ferndiagnose des Visuellen
Marken gestalten und bewerben könne eine Grafikagentur nur im Dialog mit dem Auftraggeber, erklärt Spiekermann: «Man muss sie gemeinsam entwickeln. So wie man zum Arzt geht und sich erst einmal über die Schmerzen unterhält und nicht am Telefon die Pillen verschreibt.»
Genau so funktionieren nach Spiekermanns Ansicht Agentur-Pitches: als Ferndiagnose des Visuellen. Das sei allerdings nicht das einzige Problem.
Als Gestalter verkaufe er visualisierte Ideen. Müsse er diese aber bei einem Pitch schon verarbeiten habe er sein Pulver verschossen: «Dann habe ich alles weggegeben, was eigentlich mein wertvollstes Gut ist.»
Das könne im schlimmsten Fall bedeuten, dass eine Auftraggeberin sich viele Entwürfe zeigen lasse, an allem ein wenig herumnörgle und sich am Ende aus den Wettbewerbsentwürfen selber etwas bastle.
Architekten haben es besser
Pitchen an sich sei nicht grundsätzlich negativ, sagt Beat Trummer, der Vizedirektor der Schule für Gestaltung Bern und Biel. Die Praxis sei nicht ungewöhnlich, habe aber in den letzten Jahren zugenommen: «Es lehnt sich an die Wettbewerbe an, die in der Architektur üblich sind.» Dort gebe es aber in vielen Fällen bessere Rahmenbedingungen, etwa, dass alle Wettbewerbsteilnehmer ein Honorar erhalten.
Essen ohne zu bezahlen
Bei Grafik-Pitches ist das anders. Da bekommen meist nur die Grafikerinnen etwas, deren Entwurf umgesetzt wird. Die anderen gehen leer aus.
Für Grafiker Spiekermann ist das ein klares No-Go. Er vergleicht die Pitch-Praxis mit dem Gang in ein Restaurant. Wer ein Wiener Schnitzel bestelle, gehe auch das Risiko ein, dass es ihm nicht schmecke. «Sie müssen es aber trotzdem bezahlen.»
In der Grafikbranche würden die Auftraggeber in fünf Restaurants essen und in allen sagen, es habe ihnen nicht geschmeckt. «Das geht nicht.»
Agenturen werden vorsichtig
Nicht alle sagen das so klar wie Spiekermann. Doch viele Grafikerinnen sind vorsichtig geworden, was Ausschreibungen zu Pitches betrifft.
Das erzählt zum Beispiel Matthias Schürmann von der Agentur Rocket in Luzern: «Wir pitchen ab und zu. Das kann auch richtig Spass machen. Aber wir sind bei der Auswahl sehr selektiv.»
Wenn die Anforderungen zu schwammig formuliert seien oder wenn der Eindruck entstehe, ein Unternehmen lade wahllos zum Pitch, dann mache man sich die Mühe nicht.
Pitches als Chance
Mehr noch: Im Frühjahr hat die Agentur Rocket den Spiess umgedreht und selber einen Pitch ausgeschrieben: Unternehmen konnten sich bei der Agentur mit besonders interessanten Aufträgen bewerben.
«Wir wollten einfach mal auf der anderen Seite sitzen. Und ein paar Unternehmen antraben lassen», sagt Schürmann. Die Idee kam gut an: Sie bescherte der Agentur einige neue Kunden.