Sie ist gross, sie ist farbenfroh und sie ist nicht zu übersehen: Die Skulptur «GaiaMotherTree» des brasilianischen Künstlers Ernesto Neto. Halb Baum, halb Zelt besteht die gigantische Arbeit aus einem luftigen Netz aus Baumwollstreifen. Im Innern laden ein sandfarbener Teppich und dicke Kissen zum Entspannen ein.
Der international erfolgreiche Künstler Ernesto Neto hat seine Textilskulptur auf Einladung der Fondation Beyeler eingerichtet und verbindet spirituelle Gedanken damit.
Ein Ruhepol am Bahnhof
Ein Ort der Ruhe, der Meditation und Spiritualität aber auch der Begegnung soll er sein, der «GaiaMotherTree». Die Skulptur besteht aus bunten Baumwollstoffstreifen, die mit den Händen zu einem Netz luftiger Maschen verhäkelt wurden.
In der Wanner Halle im Bahnhof Zürich wurde das Gewebe dann so installiert, dass es wie ein riesiger Baum zur Decke strebt. Ohne Schrauben oder Nägel befestigt, liegt das Netz auf den Balken unter der Hallendecke. Mit Gewürzen gefüllt Säcke dienen als Gegengewichte, die verhindern, dass das Netz abrutscht. Ausserdem verströmen sie einen angenehmen Duft.
Der raumgreifende Stamm des «GaiaMotherTree» ist begehbar wie ein Zelt. Ein sandfarbener Teppich und bunte Sitzkissen laden zum Verweilen und Entspannen ein. Ausserdem gibt es im «GaiaMotherTree», der sich auf die griechische Erdmutter Gaia beruft, zahlreiche Veranstaltungen wie Konzerte, Lesungen, Musik zum Mitmachen.
Alles wird gut, oder?
Der Baum, den Ernesto Neto in die Zürcher Bahnhofhalle «gepflanzt» hat, ist eindrucksvoll. Seine Botschaft einfach: Mitten im Verkehrsgetümmel will Neto einen Raum schaffen, an dem mehr Umweltbewusstsein entstehen soll, mehr Spiritualität, mehr Liebe zur Natur.
Der Künstler, der bereits an vielen Orten der Welt ähnliche Räume aus textilen Netzen eingerichtet hat, glaubt fest daran, dass die Menschheit auf einem guten Weg ist.
Er sagt: «Es gibt immer noch Menschen, die Bomben werfen. Es gibt immer noch Menschen, die die Natur ausbeuten. Aber diese Menschen wissen, dass ihre Tage gezählt sind. Wir leben in einer Zeit der Transformation.»
Das klingt gut. Für Menschen, die weniger optimistisch sind als Neto eindeutig zu gut um glaubhaft zu sein.
Auch spirituelle Räume kosten
Ernesto Neto ist es ernst mit seinem Glauben an das Gute im Menschen. Doch auch Räume der Meditation und der menschlichen Begegnungen errichten sich nicht von allein. Auch hinter spirituellen Projekten stecken reale Arbeitskraft und Geld.
Etwa 100 Mitarbeitende haben dabei geholfen, den «GaiaMotherTree» von der Skizze zur Skulptur reifen zu lassen. Gut zwei Millionen Franken stecken in dem Projekt. Einen Teil davon finanziert die Fondation Beyeler in Eigenleistung, ein Teil kommt über Sponsoren; zahlreiche Stiftungen sind involviert aber auch private Donatoren.
Einen Teil des Geldes hat die Fondation Beyeler über den Verkauf kleiner Werke Netos auf der Auktionsplattform ebay-Charity erwirtschaftet. Auf ebay Charity bietet der Online-Marktplatz ebay die Möglichkeit, Auktionen für einen kulturellen oder karitativen Zweck durchzuführen. Und kommt damit der Geschäftspraxis von Crowdfunding-Plattformen wie youmakeit recht nahe.
Wer Geld braucht, muss erfinderisch sein
Auch ein erfolgreiches Ausstellungshaus wie die Fondation Beyeler sucht also nach neuen, flexiblen Möglichkeiten, wenn es um die Finanzierung von Grossprojekten im Aussenraum geht.
Nicht allen aktuell geplanten Kunstprojekten im öffentlichen Raum gelingt das so glatt. Die von Thomas Hirschhorn auf dem Bahnhofplatz in Biel geplante «Robert-Walser-Sculpture» musste um ein Jahr verschoben werden. Grund dafür war neben Einsprachen aus der Bevölkerung eine lückenhafte Finanzierung.
Das liegt sicher auch an der Kunst, um die es geht, wirkt Hirschhorn doch deutlich sperriger als Ernesto Neto mit seinem bunt gehäkelten Wohlfühl-Spiritualismus.