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Kunst Maria Eichhorns Kunst kann Feuerwerke im Kopf entfachen

Macht, Geld, Sex: Mit so knappen wie klugen Gesten tippt Maria Eichhorn die grossen Fragen der Gesellschaft an. Dabei arbeitet die deutsche Künstlerin gern in Langzeitprojekten, wie die aktuelle Ausstellung in Bregenz zeigt.

Ein Vorhang aus Jeansstoff bedeckt eine der Wände im ersten Obergeschoss des Kunsthauses in Bregenz in voller Breite. Man könnte dahinter eine Fensterfront vermuten, eine Bühne oder Kabel, Kisten, Klappstühle und Equipment für einen Vortrag.

Tatsächlich wird der dunklen Denim-Vorhang einen Abend lang zur Kulisse einer Rede: Am Donnerstag, 15. Mai, spricht die Bregenzer Umwelt-Aktivistin Hildegard Breiner an diesem Ort über «Die Vorarlberger Anti-Atom-Bewegung in globaler Perspektive – Geschichte des Widerstands seit 1966».

Konzeptkunst neu definiert

Porträt-Aufnahme der Künstlerin. Sie hat braunes Haar und blaue Augen.
Legende: Maria Eichhorn gilt als Meisterin der sparsamen Gesten zu grossen Fragen. Jens Ziehe / Bildrecht Wien

Breiners Vortrag wird gefilmt und anschliessend die beiden Videos ergänzen, die seit der Eröffnung der Ausstellung von Maria Eichhorn zur Installation des Vorhangs gehören. Diese Videos zeigen zwei weitere Vorträge über die Risiken der Atomkraft.

Visuell sehr zurückhaltend, inhaltlich klar auf ein gesellschaftlich-politisches Problem ausgerichtet, ist diese Arbeit typisch für das Schaffen von Maria Eichhorn. Der deutschen Künstlerin wird nachgesagt, sie definiere die Konzeptkunst neu. Sie ist eine Meisterin wenn es gilt, Fragen zu Politik, Macht, Gesellschaft in sparsamen Gesten anzudeuten und das Publikum zum intensiven Nachdenken anzuregen.

Die Ausstellung im Kunsthaus Bregenz verdeutlicht dies mit einer Auswahl von Arbeiten, die als Langzeitprojekte konzipiert sind und immer wieder ergänzt werden.

Magie des Geldes

Audio
Maria Eichhorn über ihre Faszination für das Irrationale
03:11 min
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 11 Sekunden.

Zu den bekanntesten Arbeiten der Ausstellung gehört die Aktiengesellschaft, die Maria Eichhorn 2002 im Rahmen der Documenta gegründet hat. In einem schlichten Saal, der in seiner reinen Helligkeit die Entrücktheit des Geldmarktes vom Gros der Normalbürger einfängt, präsentiert die Schau in einem sauberen Bündel die 50‘000 Euro Einlagekapital sowie die zahllosen Dokumente, die seit der Gründung der Aktiengesellschaft angefallen sind: Protokolle, Handelsregistereinträge, notarielle Urkunden.

Das jüngste Dokument stammt aus dem März 2014 und zeigt: die Aktiengesellschaft besteht noch immer. Ihr Kapital hat sich nicht vermehrt. Das war das Ziel der Künstlerin. Mit ihrer Aktiengesellschaft versucht sie nicht, Besitz zu schaffen. Sie will Eigentum auflösen, indem sie alle Aktien der Gesellschaft selbst überschreibt, und so das Geld dem Markt entzieht.

Erotikfilme nur unter Aufsicht zu betrachten

Maria Eichhorns Arbeiten sind klug durchdacht und visuell äusserst reduziert. Sie erfordern ein gewisses Mitdenken, auch da, wo es um scheinbar Sinnliches geht. Seit 1999 arbeitet Maria Eichhorn an ihrem «Filmlexikon sexueller Praktiken», das aus 16 Kurzfilmen zu Praktiken von Analkoitus bis Zungenkuss gehört.

Die Crux an diesem erotischen Werk: Wer einen der Filme sehen möchte, muss die Saalaufsicht bitten, den Film einzulegen und ihn dann gemeinsam mit der Saalaufsicht anschauen. Mit diesem Kniff holt Eichhorn die sexuelle Darstellung aus der Anonymität von Internet-Videos oder Sex-Kinos.

Auf eine leichte, fast heitere Weise erzeugt sie ein vielsagendes Bild für unser Verhältnis zu Schaulust und Scham, Intimität und Öffentlichkeit. In dieser Verbindung kluger Reflektiertheit und spielerischer Geste liegt der besondere Reiz der Arbeiten, die nach wenig aussehen, im Kopf der Ausstellungsbesucher aber ein Feuerwerk an Gedanken entfachen können.

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