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Rückgabe von Raubkunst Kunstfund Gurlitt: Neuer Kurs am Kunstmuseum Bern

Das Kunstmuseum Bern bestätigt Verhandlungen mit Erben-Familien. Brisant: Das Haus verhält sich progressiver als üblich.

Letzte Woche meldeten Deutschland und das Kunstmuseum Bern, dass eine Zeichnung von Carl Spitzweg aus dem Kunstfund Gurlitt den Erben zurückgegeben worden sei. Damit seien «alle 14 Werke restituiert, die eindeutig» als NS-Raubkunst identifiziert wurden. Das klingt nach einem Abschluss.

Tatsächlich aber laufen die Drähte im Kunstmuseum Bern heiss. Rückgabe-Forderungen werden neu beurteilt, Einigungen mit Erben stehen offenbar vor dem Abschluss. Das ist ein Kurswechsel für die Schweiz.

Das Kunstmuseum Bern und die Sammlung Gurlitt

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2014 machte das Kunstmuseum Bern Schlagzeilen. Es erbte den grössten Kunstfund der Nachkriegszeit – die Sammlung Gurlitt. Ein schwieriges Erbe, weil zahlreiche Werke der Sammlung in Verdacht standen Raub- oder Fluchtkunst zu sein. Bei jedem der 1'500 Werke musste die Provenienz geprüft werden. Seit Ende Mai 2020 sind die Forschungen abgeschlossen, 14 Werke wurden restituiert.

Die Gespräche laufen noch

Konkret verhandelt das Kunstmuseum mit den Erben von Ismar Littman und Fritz Salo Glaser. Das bestätigen sowohl die Anwältin einer Familie als auch Marcel Brülhart aus der Dachstiftung von Kunstmuseum Bern und Zentrum Paul Klee.

Es geht um mehr als zwanzig Werke aus dem Bestand Gurlitt, darunter Aquarelle von Otto Dix oder Otto Griebe. Brisant dabei: die Rückgabeforderungen der Familien wurden nach der Erforschung des Kunstfunds Gurlitt von Deutschland nicht behandelt.

Der Grund dafür: Bei den entsprechenden Arbeiten liess sich die Provenienz von 1933 bis 1945 nicht restlos klären. Der Verdacht auf einen NS-verfolgungsbedingten Entzug liess sich also nicht beweisen.

Kurz zusammengefasst: Deutschland sagt, wir kommen mit der Forschung nicht weiter. Bern muss die Sache jetzt zu Ende bringen und entscheiden.

Neuer progressiver Ansatz

Das Kunstmuseum Bern geht mit progressiven Ansätzen in die Gespräche. «Die Verhandlungen mit den Familien laufen sehr gut. Man wendet dort jetzt auch andere Gesichtspunkte an und versucht eine einvernehmliche Lösung zu finden», so Marcel Brülhart, der das Dossier Gurlitt am Kunstmuseum Bern von Anfang an betreut hat.

Das heisst: Die Schwere der persönlichen Schicksale wird berücksichtigt. Auch wenn nicht zweifelsfrei belegt werden kann, dass die Werke als NS-Raubkunst zu gelten haben, erklärt sich das Museum bereit, eine Lösung mit den Erben zu suchen. «Zum Teil kommt man so zu anderen Schlüssen und würde auch mal etwas zurückgeben, was bis anhin eigentlich undenkbar gewesen wäre», so Brülhart weiter.

Das Kunstmuseum Bern folgt dem Basler Kurs

Bis im Frühsommer will das Haus informieren, wie es weitergeht, ob und welche Lösungen gefunden wurden – und was das für das Haus und die hauseigene Sammlung bedeuten könnte.

Damit folgt das Kunstmuseum Bern eventuell dem Kunstmuseum Basel in einem progressiven Kurs: Im Frühling 2020 einigte sich das Basler Haus unter Direktor Josef Helfenstein mit den Erben des jüdischen Sammlers Curt Glaser, obwohl nicht bewiesen werden konnte, dass die betroffenen Werke zweifelsfrei NS-Raubkunst seien.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 18.01.2021, 16:30 Uhr.

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