Als der G20-Gipfel, das Treffen der wichtigsten 20 Industrie- und Schwellenländer, in China stattfand, wurde den Gästen das Essen auf Seladon-Geschirr kredenzt. Auf Geschirr, das schon die chinesischen Kaiser vor 1000 Jahren so faszinierte, dass sie es zur sogenannten Kaiserware erklärten.
«Weil die Qualität so herausragend war, war Seladon-Porzellan während der Song-Dynastie nur dem Kaiser vorbehalten», sagt Annette Mertens, Gastkuratorin der aktuellen Ausstellung im Zürcher Völkerkundemuseum. Sie widmet sich dem Seladon-Porzellan aus der chinesischen Provinz Zhejiang.
Wertvolle Scherben
Gebrannt wurde diese Kaiserware in ganz speziellen Kaiseröfen. Bis heute suchen Seladon-Meister und -Meisterinnen nach diesen Öfen, respektive nach den Scherben, die um diese Öfen verteilt sind. Denn die Gefässe sind an Meisterschaft bis heute unerreicht.
«Anhand dieser Scherben kann man Analysen machen, die für die Produktion der neuen Seladone von Wert sind», sagt Mertens.
Die heutigen Seladon-Künstlerinnen und -Künstler lesen diese Scherben wie andere Menschen Sachbücher. Sie erkennen genau, womit die damaligen Hersteller gearbeitet haben. Sie wissen, wo sie die Ingredienzen dazu finden.
«Sie haben genaueste Kenntnis der Rohstoffe ihrer Umgebung, kennen dort quasi jeden Stein jeden Baum», erklärt Mertens. «Sie wissen auch, zu welcher Zeit sie welche Aschen brennen müssen, um daraus die gewünschten Glasuren herzustellen und Farbtöne zu erzeugen.»
Gewässert, gepresst, gebrannt
Schnell wird in dieser Ausstellung klar: Porzellan ist nicht gleich Porzellan. Hinter den Werken steckt enormes Wissen. Das beginnt schon beim Lehm, der nicht einfach gesammelt wird, sondern aus speziellen Steinen und Erde gestampft, gemahlen, gewässert, gepresst, auf der Töpferscheibe gedreht, glasiert und gebrannt wird.
Gebrannt wird heute in Gasöfen. Bis vor kurzem aber noch in sogenannten Drachenöfen. Das sind gigantische, etwa zwei Meter hohe und 20 bis 80 Meter lange Tunnel-ähnliche Öfen aus Backstein, die sich jeweils einen Hügelhang hinauf erstrecken.
Die Saga der Öfen
Über diese Öfen wird eine Geschichte erzählt von Drachen, die vom Himmel fielen und von Menschen begraben wurden, so Mertens. «Später wurde der begrabene Drachenkörper mit Keramik bestückt und vom Ofenkopf beginnend feuerte man durch den ganzen Ofen. Auf diese Weise wurden 10'000 Keramikstücke auf einmal gebrannt.»
Keines dieser 10’000 Stücke sieht gleich aus. Je nach Platz im Ofen verhält sich der Ton oder die Glasur anders.
Schöne Sprünge
Spätestens nach dem Öffnen dieser Öfen beginnt die Magie der schimmernden Glasuren: ein Nuancenreichtum, dem eine Beschreibung mit grün und blau nicht gerecht wird. Da sind chinesische Begriffe wie Essigpflaumen-grün oder Reiskorn-gelb angemessener.
Es sind Glasuren, deren Beschaffenheit ebenso faszinierend sind wie deren Farbe. Etwa die sogenannte Krakelee, gezielt hergestellte Sprünge in der Glasur.
Sie gleichen Blätterrippen, Bambusrillen, Fischschuppen. Sie sind millimetergross oder ziehen sich als breite Streifen über die Gefässe.
Die Ausstellung verzaubert. Dank der gut dosierten Erklärungen erkennt man das unglaubliche Wissen hinter der Seladon-Herstellung.
Spätestens im Herzen der Ausstellung – bei den rund 60 ausgestellten Meisterwerken – gesellt sich zur Hochachtung vor diesem Wissen die Hochachtung vor der Schönheit dieser Werke.