38 Jahre lang hat sie gescheppert und gehämmert, bis sie kaum mehr konnte. Noch ein paar Jahre und die Tonmischmaschine Méta-Harmonie II von Jean Tinguely hätte wohl den Geist aufgegeben.
Ein stillgelegtes Tinguely-Werk ist zwar immer noch schmuck, sein Sinn ginge aber verloren. Bewegung war Tinguelys Stilmittel, unser Dasein zu kommentieren: Er zeigte damit die Abhängigkeit des Menschen von Maschinen, den sinnlosen Trott des Alltags oder gar die Absurdität des Todes.
Die Méta-Harmonie II brauchte dringend ein zeit- und kostenintensives Lifting. Jetzt hat sie es auch bekommen: Ermöglicht durch das «Schaulager» in Münchenstein nahm sich ein Restauratoren-Team der Maschine an.
Das Sorgenkind
Ein Jahr lang untersuchte, dokumentierte und reparierte das Team jedes Detail der Méta-Harmonie II. Es war die aufwendigste Restauration, die bisher an einer Tinguely-Maschine vorgenommen wurde.
Einige Teile mussten die Restauratoren schweren Herzens ersetzen. Jean-Marc Gaillard, der ehemalige Assistent von Tinguely, sagt: «Wir sind täglich mit mehr Fragen als Antworten nach Hause gegangen, haben uns die Köpfe darüber zerbrochen, was alles nötig und möglich wäre. Meine Güte!»
Doch die Mühe hat sich gelohnt. «Wir haben es geschafft, die Klangvielfalt zu rekonstruieren», sagt Restaurator Marcus Broecker stolz. «Unser Sorgenkind war das Klavier. Es war komplett verstummt. Nun klingt es wieder wie früher.»
Ente gut, alles gut?
Für eine Disney-Ente aus Kunststoff, die bei der Maschine immer wieder auf die Tasten des Klaviers plumpst, kam die Rettung aber zu spät. Die Restauratoren mussten sie ersetzen.
Dank der Seriennummer fand das Team eine identische Ente im Internet. Schaulager-Restauratorin Carole Maître meint schmunzelnd: «Es gab ein einziges Angebot. Wir haben die letzte ihrer Art ersteigert.»
Für einen holländischen Schuh, der ebenfalls «Klavier spielt», gab es keinen Ersatz. Das Team pflanzte ihm eine Metallverstärkung ein.
Tinguely-Teile aus dem 3D-Drucker
Auch die Eisenkonstruktion wurde restauriert. Gaillard sagt: «Man glaubt nicht, wie stark Eisen verschleisst. Die Stangen waren teilweise bis auf die Hälfte abgenutzt.»
Das Team hat eine eigene Technik entwickelt, diese mit Kunststoff auszubessern. Schwierigkeiten bereiteten auch die Klebebänder, die nicht geschweisste Teile zusammenhalten.
«Wir haben das Abwickeln fotografisch dokumentiert, die Bänder gesäubert, Klebefolie appliziert und in Tinguelys Manier wieder gewickelt», sagt Restaurator Broecker.
Ein Projekt des Teams war es, 3D-Scans von ausgewählten Objekten zu erstellen. Sollte zukünftig ein Teil kaputt gehen, kann es im 3D-Drucker hergestellt werden.
Von diesen Scans, der umfangreichen Dokumentation und den gesammelten Erkenntnissen können zukünftige Restauratoren profitieren. Gaillard sagt: «Wir haben es geschafft. Der Patient kann nach Hause.»
Damit meint er das Museum Tinguely in Basel, wo die Méta-Harmonie II jetzt erneut als Dauerleihgabe zu bestaunen ist.