In einem Provinznest in der Lüneburger Heide herrscht dicke Luft: Ein elf millionenschwerer, zusätzlicher Museumsbau zu Ehren des Schweizer Bildhauers und Expressionisten Johann Michael Bossard (1874-1950) ist geplant.
Doch: Der Künstler war ein glühender Verehrer Hitlers. Das hat der «Spiegel»-Journalist Martin Doerry mit einer Recherche zutage gefördert – und damit eine Debatte losgetreten, ob man einem solchen Künstler mit Steuergeldern ein Denkmal setzen soll.
SRF: Johann Bossard war Antisemit und ein Verehrer Hitlers. Warum ist das vorher niemandem wirklich aufgefallen?
Martin Doerry: Diejenigen, die im Museum die Verantwortung tragen, haben alles unternommen, um den Eindruck zu erwecken, Bossard sei im Laufe der 1930er-Jahre in Wahrheit ein Nazigegner geworden und insofern politisch kein Problem.
Die Leiterin der Stiftung «Kunststätte Johann und Jutta Bossard» Gundula Mayr schreibt in einem Buch über die Bossards, sie seien keine Mitglieder der NSDAP gewesen, aber «in den Jahren 1932 bis 1934 fühlten sich die Bossards (…) einzelnen Zielen der NSDAP verbunden, beispielsweise der Überwindung der Klassengrenzen durch Versöhnung, der Förderung der Landwirtschaft und dem Wunsch nach einer Erneuerung Deutschlands.»
Sie hingegen zitieren faschistische und antisemitische Aussagen von Johann Bossard. Hatten Sie andere Quellen gefunden oder haben Sie die bestehenden einfach genauer gelesen?
Ich habe dieselben Quellen benutzt wie Frau Mayr, aber sie hat offenbar beschlossen, sich an die Spitze der Bewegung zu setzen und Bossard freizusprechen. Ich will das nicht. Ich lese diese Quellen anders.
Es ist eine extrem selektive Wahrnehmung, die von der Kunststätte vorgenommen wird. Man pickt sich die Dinge heraus, die heute harmlos erscheinen, und unterschlägt vieles andere, das zeigt, wie heftig die Sympathien Bossards für die Nationalsozialisten gewesen sind.
Können Sie ein Beispiel geben?
Ein eklatantes Beispiel ist natürlich das Hakenkreuz-Symbol, das Bossard 1934 in den Edda Saal seines Wohnhauses in ein Bodenmosaik eingelegt hat. Das war etwa zu der Zeit, als Alfred Rosenberg, einer der berühmtesten antisemitischen Autoren und Mitglied der NS-Spitze, zu ihm zu Besuch kam.
Johann Bossard hat dieses Haus hauptsächlich in den Jahren 1912 bis 1930 gebaut. Da war Hitler noch nicht an der Macht. Sieht man trotzdem schon auch an anderen Orten diese Nazi-Insignien?
In der Kunststätte eher weniger. Bossard konzentriert sich da auf Elemente der nordischen Mythologie, etwa auf die skandinavische Sage der Edda, aber auch auf andere Mythologien. Das ist relativ unverdächtig.
Wenn man sich aber mit seinen Schriften auseinandersetzt und mit den Modellen, die er für ein Nazi-Denkmal in Hamburg entworfen hat, wird es problematisch. Sie sind in der Kunststätte weggeschlossen, sodass es die Besucher nicht zur Kenntnis nehmen.
Das Anwesen ist heute ein Museum, das Führungen und Workshops anbietet. Im Moment wird eine Ausstellung mit Zeichnungen von Oskar Kokoschka gezeigt. Wird da die Geschichte bewusst schöngefärbt oder ist dieses Ensemble trotz allem kunsthistorisch ein Zeugnis?
Es ist ein kunsthistorisches Zeugnis und muss auch erhalten werden. Was aber nicht geschehen darf, ist, dass dazu ein grosses Museum eingesetzt wird, in dem Bossard sozusagen reingewaschen wird. Das ist nach meinem Eindruck der Zweck dieser ganzen Geschichte.
Man will ein grosses Eingangsgebäude mit zusätzlichen Ausstellungsräumen bauen, in denen der Eindruck erweckt wird, dass Bossard ein zwar vielleicht hier und da problematischer, aber doch bedeutender Künstler sei.
Ich halte ihn nicht für einen bedeutenden, sondern für einen gefährlichen Künstler – in unserer heutigen Zeit, wo wir solche Dinge, die eindeutig Sympathien für den Rechtsradikalismus zeigen, viel kritischer anschauen müssten.
Das Gespräch führte Maya Brändli.