Sukezô Sukegawa war ein von Kritik und Verlegern gefeierter Manga-Zeichner. Dennoch wandte er sich vom Manga ab. Als Verkäufer von unbearbeiteten Steinen, die er an einem Flussufer sammelt, ist er dann jedoch so erfolglos, dass er seine Familie ins Elend stürzt. Ein Mann, der seine Familie nicht ernähren könne, so heisst es einmal, sei nutzlos.
Wie der Schöpfer so der Protagonist
Der Protagonist in «Der nutzlose Mann» hat viele Parallelen mit seinem Schöpfer. Der 1937 geborene Yoshiharu Tsuge gilt als einer der bedeutendsten Manga-Künstler überhaupt. Bereits als 17-Jähriger veröffentlichte er erste düstere, vom Alltag inspirierte Geschichten. In den 1960er-Jahren stiess er zur legendären Avantgardezeitschrift Garo und entpuppte sich bald als einer ihrer innovativsten und einflussreichsten Autoren.
Träume, die Wirklichkeit und das Ich
Bis heute hält sich hierzulande das Vorurteil, Mangas seien hysterische Unterhaltung. Unter der schrillen Oberfläche hat sich jedoch eine reiche Kultur von hoher gesellschaftlicher Relevanz entwickelt – und zwar deutlich früher als im westlichen Comic.
Yoshiharu Tsuge spielte dabei eine wichtige Rolle: In den Sechzigerjahren, als in den USA die Underground-Comix noch gar nicht geboren waren, stiess er dem Manga viele Türen auf. Tsuge gilt als der Erfinder des autobiografischen Ich-Mangas.
Tsuges bahnbrechende Kurzgeschichten, von denen kürzlich 20 im Band «Rote Blüten» erschienen sind, begeisterte Japans Intellektuellen- und Kunstszene – nicht zuletzt dank Tsuge kam der Manga in der Hochkultur an.
Der zweifelhafte Wert seiner Existenz
Trotz seines Erfolgs litt Tsuge an Depressionen, Ängsten und einer krankhaften Schüchternheit. Das führte zu seinem endgültigen Rückzug vom Manga – nicht aber ohne zuvor mit «Der nutzlose Mann» sein künstlerisches Vermächtnis abgeliefert zu haben: eine desillusionierte Reflexion über den Künstler als Aussenseiter, dessen Existenz für sich und andere von zweifelhaftem Wert ist.
«Der nutzlose Mann» ist eine stark autobiografisch grundierte Geschichte. Wie Tsuge leidet auch sein Alter Ego Sukegawa an Depressionen und gibt das Mangazeichnen auf.
Stoische Ironie
In kurzen Erzählungen schildert Tsuge, wie Sukegawa auf der Suche nach Beschäftigung und Verdienst immer weiter in gesellschaftliche Randzonen abtreibt. Dabei ist ihm je länger desto gleichgültiger, dass die Gesellschaft unangepasste Menschen wie ihn ausstösst.
Auf seinen ziellosen Gängen begegnet er anderen Aussenseitern. Manchmal verliert oder vergisst er sich, träumt von Flucht oder Suizid – und mehrmals wird er von seinem kränklichen Sohn gefunden und nach Hause gebracht. Dort erwartet ihn seine Frau, für die die Situation immer unerträglicher wird.
Diese kurze Inhaltsbeschreibung mag schlicht klingen, doch die Vermischung dieser Alltagstristesse mit symbolischen und metaphorischen Elementen ist sowohl erzählerisch als auch zeichnerisch eindringlich und zutiefst emotional.
Wie die Erzählungen wirken auch die Zeichnungen vordergründig schlicht und nüchtern, doch die Seiten sind klug gestaltet und von einer dem Inhalt entsprechenden Vielschichtigkeit. Allein wie Tsuge es schafft, die Gattin während der ersten hundert Seiten so zu zeichnen, dass ihr Gesicht für uns unsichtbar bleibt, ist beeindruckend.
«Der nutzlose Mann» ist spürbar authentisch und sehr düster. Und doch ist in der zugespitzten Darstellung von Sukegawas Depression und Verhalten eine Prise schwarzen Galgenhumors spürbar. Diese stoische Ironie, die leicht übersehen werden könnte, macht Tsuges poetische Ode an das Scheitern erst erträglich und zu einem Meisterwerk.