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Die Tücken des Crowdfundings Tim Krohns neuer Roman ist fertig – wird aber nicht gedruckt

15 Bände sollte sein Mammutprojekt über Gefühle einst umfassen. Band 4 ist fertig. Doch der Verlag druckt ihn nicht.

Es sollte der vierte Band einer grossangelegten Romanreihe werden. Doch nun bleibt der fertige Text in der Schublade: Der Verlag Galiani Berlin will Tim Krohns Reihe über «Menschliche Regungen» nicht weiterführen.

Der Fall ist ein Beispiel für die Kehrseite eines erfolgreichen Crowdfundings:

Das Projekt begann 2015 mit viel medialer Aufmerksamkeit. Tim Krohn rief seine Leserinnen und Leser auf der Plattform «wemakeit» dazu auf, ihm ein Lieblingsgefühl und drei Stichworte zu schicken.

Im Gegenzug sollten sie eine Geschichte dazu bekommen, die Teil eines grösseren Romanprojekts über menschliche Regungen werden würde.

Das Prinzip: Erzählungen verkaufen

Bereits für 250 Franken war eine solche Erzählung zu haben. Für einen höheren Betrag gab es noch weitere Zugaben, wie etwa einen Schreibworkshop oder eine private Lesung beim Autor zu Hause.

Die Geschichten waren schnell ausverkauft. Das Ziel, 40'000 Franken zu sammeln, wurde sogar deutlich übertroffen. Der Betrag erscheint nicht hoch für ein Projekt, das auf mehrere Jahre angelegt ist. Weshalb ist der Autor von erfolgreichen Büchern wie «Quatemberkinder» oder «Vrenelis Gärtli» eine so langfristige Verpflichtung eingegangen?

Crowdfunding: kaum ernst genommen

«Wir waren in einer Notlage», sagt Tim Krohn. «Wir brauchten das Geld, damit wir meine Mutter zu uns nehmen konnten. Sonst hätte sie in ein Heim gemusst.» Dank der Crowdfunding-Kampagne konnte das alte Haus im Val Müstair, wo Tim Krohn mit seiner Familie lebt, entsprechend umgebaut werden.

«Mir war klar, dass ich nach diesem Crowdfunding sehr viel zu tun habe, und dass das Geld schon verfrühstückt ist. Doch ich hatte nicht damit gerechnet, dass sich dadurch andere Türen verschliessen.»

Tim Krohn hatte den Eindruck, dass die Bücher wegen der Finanzierungsform literarisch nicht ernst genommen wurden: «Es gibt sowohl bei der Kritik wie bei Kollegen das Vorurteil: Crowdfunding ist kommerziell – das hat im Kreis der hohen Literatur nichts zu suchen.»

Die Aufmerksamkeit hielt nicht an

Das grösste Problem aber war, dass die anfängliche Aufmerksamkeit schnell verpuffte: «Der Verlag hat bei der Werbung alles auf die originelle Idee gesetzt. Es wurde viel über das Crowdfunding geschrieben, doch nicht über den Inhalt und die Literatur.»

Der zweite und dritte Band wurden gar nicht mehr besprochen und verkauften sich dementsprechend schlecht, weshalb der Verlag die Reihe nun einstellt.

Hoffen auf eine glückliche Fügung

Was geschieht nun mit all den Geschichten, die noch in Auftrag sind? «Die Leute bekommen ihre Geschichte, aber halt kein Buch», sagt Tim Krohn und fügt an: «Es sei denn, es schneie noch eine glückliche Fügung vom Himmel.»

Tim Krohn bei «Ansichten»

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Legende: SRF / Lukas Maeder

Mehr zu Tim Krohn gibt es auf der SRF-Literaturplattform «Ansichten».

Auch wenn das Crowdfunding bei diesem Projekt einen unerwarteten Bumerang-Effekt hatte, schliesst Tim Krohn die Form der Schwarmfinanzierung für zukünftige Vorhaben nicht aus.

Der Reiz des Crowdfundings bestehe für ihn auch darin, nicht allein im stillen Kämmerlein etwas auszubrüten, sondern in ein grösseres Ganzes eingebettet zu sein: «Ich habe ganz wunderbare Erfahrungen mit den Leuten gemacht, die mitgespielt haben – und will die nicht missen.»

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