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Literatur Doris Dörrie rechnet mit dem Literaturbetrieb ab

In ihrem neuen Roman nimmt die deutsche Regisseurin und Schriftstellerin Doris Dörrie die Vertreter des literarischen Gewerbes auf die Schippe. Wenig schmeichelhaft bezeichnet sie sie als «Diebe und Vampire».

Im Mittelpunkt des neuen Dörrie-Romans steht Alice, eine junge Frau mit ihrem Traum, Schriftstellerin zu werden. Gleich zu Beginn der Geschichte sagt sie: «Ich hatte tatsächlich die nebulöse Vorstellung, ich müsse nur genug vor mich hin träumen, dann würden irgendwann die Gedankenfetzen, Bilder, Töne und Geschichten schon ihren Weg aufs Papier finden.»

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Doris Dörrie: Diebe und Vampire, Diogenes 2015

Alice ist mit ihrem verheirateten Lover im Urlaub in Mexiko, als sie eine ältere amerikanische Schriftstellerin kennenlernt. Sie kürt sie gleich zu ihrem Vorbild und nennt sie «die Meisterin». Ihre Begeisterung stösst aber nicht auf Gegenliebe – Alice muss ihren Weg als Schriftstellerin allein suchen.

Wenn Träume platzen

Viele Jahre später – als Frau im mittleren Alter – kehrt Alice nach Mexiko zurück. Ihren grössten Erfolg als Schriftstellerin hat sie mit einem sogenannten «Longseller» gelandet – einem Ratgeber für Schriftsteller mit Schreibblockade. Im Rückblick beurteilt sie ihren eigenen Weg kritisch: «Ich erinnerte mich an mich selbst als junge Frau, an meine Verwirrung, an meine Vorstellung von Zukunft: ein Schiff, bereit in See zu stechen, auf das ich nur steigen musste, um etwas Grossartigem entgegen zu segeln, doch ich konnte mich nicht entschliessen, eine Fahrkarte zu lösen. … Im Rückblick hat es nie ein Schiff gegeben.» Alice erkennt, dass ihre grossen Träume geplatzt sind.

In Mexiko – im Rahmen von Vorträgen und Workshops – trifft Alice andere Autorinnen und Autoren. Die Dünnhäutige, die wegen einer schlechten Kritik in eine wochenlange Depression fällt. Die Schreibwütige, die anderen stets unter die Nase hält, wie die Ideen nur so fliessen. Oder den eingebildeten Jung-Schriftsteller, dem eine grosse Zukunft vorausgesagt wird. Alice selbst ist mittlerweile gelassener. Immerhin hat sie ja einen «Longseller» gelandet, aber auch sie kann ihre Enttäuschung und ihren Frust über verpasste Gelegenheiten und fehlenden nachhaltigen Erfolg nicht ganz verleugnen.

Stehlen aus dem Leben anderer

Mit den verschiedenen Schriftsteller-Typen nimmt Dörrie das literarische Gewerbe auf die Schippe. Sie entlarvt damit alle Künstler, die sich selbst zu ernst nehmen und vor allem damit beschäftigt sind, sich selbst zu inszenieren. Allerdings fehlt es den einzelnen Charakteren dann doch an Tiefe. Dörrie begnügt sich mit Skizzen.

«Diebe und Vampire» ist aber nicht nur eine Satire über die Schriftstellerei sondern auch eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Tätigkeit des Schreibens. Mit der damit verbundenen Einsamkeit, den Zweifeln und der Gefahr des Scheiterns.

Darüber hinaus setzt sich Dörrie mit den grossen Lebensfragen auseinander. Wie ist es, wenn Träume platzen? Was geschieht mit einem, wenn man älter wird? Und was ist überhaupt der Sinn im Leben? Abschliessende Antworten auf diese Fragen gibt sie nicht, aber Dörrie gibt der Leserschaft damit einen Anstoss, über das eigene Leben nachzudenken: alle Schriftsteller seien Diebe und Vampire, lässt sie eine der Figuren im Roman sagen, sie seien skrupellos, beobachteten das Leben ihrer Mitmenschen und sie würden daraus alles stehlen, was sie interessiert. Das trifft wohl nicht nur auf Schriftsteller zu.

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