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Verleger Manuel Gasser Ein Zürcher Publizist, unbeirrbar auf der Suche nach Schönheit

Manuel Gasser war nicht nur mit seiner Zeitschrift «Du» stilprägend. Eine neue Biografie lässt sein ästhetisches Universum aufleben.

Das Wichtigste in Kürze

  • Manuel Gasser war in der Nachkriegszeit eine einflussreiche Figur im Schweizer Journalismus: als Mitbegründer der «Weltwoche» und als Chrefredaktor des «Du».
  • Gasser war für viele ein Vorbild: weil er unbeirrbar nach dem Schönen suchte und seine Homosexualität offen lebte.
  • Umstritten war er wegen seiner Faszination für den Faschismus.

Ein «Paradiessucher» sei er gewesen, hat einst Hugo Loetscher über Manuel Gasser gesagt. Der Zürcher Publizist, Mitgründer der «Weltwoche», Nachfolger von Arnold Kübler bei der Kulturzeitschrift «Du», war eine einflussreiche Figur im Schweizer Kulturleben der Nachkriegszeit. Diesem Manuel Gasser widmet sich jetzt eine neue, reiche Biographie.

Von Manuel Gassers «Du» geprägt

Verfasst hat das Buch David Streiff: selbst einer, der das helvetische Kulturleben geprägt hat, als Leiter des Bundesamtes für Kultur und als Direktor des Filmfestivals von Locarno. «Immerhin verdanke ich Manuel Gasser, dass ich Kunstgeschichte studiert habe», erklärt David Streiff im Gespräch: «einfach wegen des ‹Du›.» Neun Jahre lang hat er sich in akribischer Arbeit Manuel Gassers Biografie gewidmet.

Audio
«Paradiessucher»: der Zürcher Verleger Manuel Gasser
aus Kultur kompakt vom 23.01.2017.
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 40 Sekunden.

Manuel Gasser wusste früh, was er wollte. Nämlich das Gute und Schöne, unter all seinen Aspekten. Schon mit 15 verfasste er erste Zeitungsfeuilletons. Über sein Tagebuch stellte er eine Gedichtzeile von August von Platen:

«Wen der Pfeil des Schönen je getroffen / Ewig währt für ihn der Schmerz der Liebe!»

Seine Referenzen blieben zeitlebens die grossen Meister, gleichzeitig war er offen für die unerwartetsten Dinge – aber stets über einen ästhetischen Zugang.

Biograph und Porträtierter

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Legende: Keystone
  • David Streiff (im Bild) ist Kunsthistoriker und Kulturschaffender: 1981 - 1991 leitete er das Filmfestival in Locarno, 1994 - 2005 das Bundesamt für Kultur.
  • Manuel Gasser (1909-1979) war lange eine wichtige Stimme im Schweizer Journalismus. Er brach die Schule ab, gründete 1933 die «Weltwoche» mit. 1958 übernahm er das «Du».

Ein bildreiches Universum

David Streiffs Gasser-Biografie ist ihrem enormen Umfang zum Trotz leicht lesbar, ausnehmend schön gestaltet und reich bebildert, vor dem Leser paradiert ein ganzes kulturelles Universum des vergangenen Jahrhunderts.

1930 zog Manuel Gasser als Kulturkorrespondent der «Neuen Zürcher Zeitung» nach Paris, ermuntert von Eduard Korrodi, drei Jahre später erfand er auf einer Zugfahrt zusammen mit Karl von Schumacher «Die Weltwoche», für die er das Feuilleton betreute. 1958 übernahm er das «Du».

Ein Vorbild – auf politischem Irrweg

Zu Manuel Gassers Schönheitsparadiesen gehörten ganz selbstverständlich auch die Körper junger Männer. Er lebte offen schwul und liess sich auch in Gesellschaft von jungen Männern begleiten, in einer Zeit, in der das alles andere als alltäglich war. Insofern war er ein Pionier: «Für heutige Schwule ist er ein Vorbild», findet David Streiff. «Selbstverständlich out – das hat er vorgelebt!»

Weniger vorbildlich ist Gassers Faszination für den Faschismus und seine Ästhetik in den 1930er-Jahren, als Gasser bei der «Weltwoche» war. 1947 wurde er im sogenannten Brentano-Prozess verurteilt, weil er den Schriftsteller Bernard von Brentano als Nazi verunglimpft hatte. Dabei kam seine eigene Vergangenheit bei den Schweizer Fröntlern aufs Tapet.

Buchhinweis

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David Streiff: «Manuel Gasser. Biografie», Limmat Verlag, 2016.

Ästhetisch ein Revolutionär

Aber auch die Studentenrevolte von 1967/68 hat er verschlafen, das ging einfach an ihm vorbei. Gab es denn gar keinen politischen Gasser?

«Ich glaube wirklich, dass er nicht politisch funktionierte. Er hatte eine bürgerliche Herkunft, an der er festgehalten hat. Er war offen für vieles, manchmal auch Revolutionäres – aber eben nicht politisch, sondern ästhetisch gedacht», sagt David Streiff.

Leben für die Schönheit

Ausstellung

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Das Landesmuseum Zürich blickt noch bis zum 19.03.2017 zurück auf die Geschichte des Kulturmagazins «Du». Hier geht's zur Kritik des Ausstellung.

Der Schönheitssucher Gasser liess sich nicht beirren. Auch wenn er als Schwuler diffamiert wurde, unterschwellig im Brentano-Prozess, offen zum Beispiel von Niklaus Meienberg, der 1959 die «Du»-Redaktion in einem Brief an Bundesrat Etter als «homosexuell durchseucht» denunzierte. Bei aller offenen Lebenshaltung ist Manuel Gasser am Ende doch ein Aussenseiter geblieben.

Seine letzten Lebensjahre verbrachte er im Pächterhaus des Schlosses Brunegg, das seinem Freund Jean Rudolf von Salis gehörte. Er starb schwer krank kurz nach seinem siebzigsten Geburtstag, den er noch als grosses Sommerfest auf der Brunegg feiern konnte – ein Fest des Lebens, wie vielleicht sein ganzes Dasein, und der Schönheit.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktuell, 23.01.2017, 16:50 Uhr

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