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Literatur Fitzgeralds Jahre ohne Glanz und Glamour

Hollywood in den Goldenen Zwanzigern: F. Scott Fitzgerald und seine Ehefrau Zelda sind das Glamour-Paar der Stunde. Rasant sind Auf- und auch der Abstieg: Der weltberühmte Autor des «Grossen Gatsby» endet als Fliessbandarbeiter der Filmfabrik. Davon erzählt Stewart O'Nan in seinem neuen Roman.

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Der Roman «Westlich des Sunset» von Stewart O'Nan wird auch im Literaturclub» besprochen – jetzt online nachsehen.

Das «Grove Park Inn» in North Carolina ist eine Station auf Stewart O'Nans endlos scheinender Lesereise durch die USA. Der Schriftsteller F. Scott Fitzgerald hat hier gewohnt, in diesem Hotel, das einer Trutzburg gleicht. Im Sommer 1936 ist er am Tiefpunkt seines Lebens angelangt. Für eine Atempause bezieht Fitzgerald zwei Zimmer im Hotel: Eins zum Schlafen und eins zum Arbeiten. Auf der anderen Seite des Tals ist seine Frau Zelda einquartiert: Im «Highland Hospital», als Patientin der Psychiatrie.

Auf seiner Lesetour zu «Westlich des Sunset» ist der Autor Stewart O'Nan selbst am Ort seiner Handlung gelandet. Er hat eine fiktionale Biographie geschrieben: Ein gut erdachtes und gut recherchiertes Buch über die letzten Lebensjahre eines grossen Schriftstellers, der seine beste Zeit hinter sich hat.

Wunderkind und Flapper-Braut

Mit den Szenen im Hotel und bei Zelda im Sanatorium beginnt O'Nan seinen Roman über den Autor des «Grossen Gatsby». Von hier aus wird Fitzgerald ein Jahr später nach Hollywood reisen. Zum dritten Mal in seinem Leben versucht er, in den Hügeln über Los Angeles Fuss zu fassen.

Doch diesmal ist alles anders. Fitzgerald bleibt in Hollywood – nicht als Star, sondern als Arbeiter in der Filmfabrik: Als Drehbuchschreiber, der das Geld braucht, um zu überleben. Das «goldene Wunderkind und seine Flapper-Braut» Zelda hatten Hollywood wie im Triumphzug betreten. Jetzt ist er allein auf dem Weg zum Taxi-Stand.

Portrait Stuart O'Nan.
Legende: Stewart O'Nan schreibt mit charmante Bescheidenheit. Imago

Die Goldenen Jahre sind vorbei. Auch wenn die Traumkulissen noch stehen und das Glamour-Personal nebenan wohnt. Bei O'Nan treten alle auf, die einmal zur Entourage der Fitzgeralds gehörten: Ernest Hemingway und Humphrey Bogart, Greta Garbo und Marlene Dietrich. Aldous Huxley ist da und Dorothy Parker.

In der gesellschaftlichen Hierarchie Hollywoods rangieren die Lohnschreiber ganz unten. Fitzgerald, der berühmte Schriftsteller, der nie von seinen Romanen leben konnte, steht in der Schlange beim Filmstudio «MGM». Er schreibt Drehbücher oder schreibt sie um – und wird doch durch einen anderen ersetzt, sobald ein neuer Produzent in Erscheinung tritt.

Aufraffen gegen die Sucht

Es ist eine Kette der Demütigungen, die Stewart O'Nan mit schlichter Empathie schildert. Deutlich wird, welch immense Kraft es Fitzgerald kostet, auch nur den Schein zu wahren: Etwas von dem Glamour zu erhalten, der sein Leben prägte. Jetzt ist dieser einem ständigen Aufraffen gegen die Alkoholsucht und die Tabletten gewichen. Auch in L.A. wohnt Fitzgerald zeitweise im Hotel: Einer leicht derangierten, aber doch irgendwie angemessenen Herberge für die Prominenz. «Garden of Allah» ist ihr kurioser Name.

Alles ist durch Schulden finanziert: Die Arbeit an einem unveröffentlichten Roman genauso wie die Prosatexte für Zeitschriften, die den Aufwand nicht mehr einspielen. Fitzgerald braucht Geld, viel Geld: Für die Tochter im Internat und für Zelda in der Klinik.

Kein Märtyrer

Buchhinweis

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Stewart O'Nan: «Westlich des Sunset». Rowohlt, 2016.

Sheila Graham heisst Fitzgeralds letzte Liaison in Hollywood, die viel Raum einnimmt in diesem Roman. Fitzgerald lernt sie auf einer Party kennen. Graham hat später ihre eigenen Erinnerungen an diese Jahre veröffentlicht. Bei O'Nan beeindruckt die Innenansicht Fitzgeralds, die Schuldgefühle gegenüber seiner schwer erkrankten Frau.

Mit «Westlich des Sunset» hat Stewart O'Nan ein unspektakuläres Buch über einen spekulativen Stoff geschrieben. Ohne grossen sprachlichen Aufwand berührt es durch seine nüchterne Haltung zu seinem realen Helden – und dessen Abwegen. Es zeigt den Sog der Selbstzerstörung. F. Scott Fitzgerald taugt nicht zum Märtyrer.

«Westlich des Sunset» ist ein bescheidenes Buch. Es will nicht mehr sein als es ist: Das macht seinen Charme aus.

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