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Literatur John le Carré und die Geheimdienst-Debatte

John le Carré gehört zu den Altmeistern von Agenten-Thrillern: Seit nunmehr 50 Jahren liefert er regelmässig einen neuen Bestseller. Jetzt erscheint sein jüngster Coup «Empfindliche Wahrheit» auf Deutsch – er kommt damit goldrichtig zur aktuellen Debatte um die Abhörskandale der Geheimdienste.

Seit Monaten beschäftigt die Abhör-Affäre des amerikanischen Geheimdienstes NSA die ganze Welt. Edward Snowden, der diese Überwachungsmassnahmen öffentlich machte, geniesst bei vielen Menschen Heldenstatus. Da liegt John le Carré mit seinem neuen Roman «Empfindliche Wahrheit» goldrichtig.

Le Carré gehört zu den Altmeistern von Agenten-Thrillern. Sein «Der Spion, der aus der Kälte kam» von 1963 hat Literaturgeschichte geschrieben. Seit nunmehr 50 Jahren liefert der britische Schriftsteller regelmässig neue Bestseller. Jetzt erscheint also auf Deutsch sein jüngster Coup «Empfindliche Wahrheit», der in Grossbritannien monatelang auf Platz Eins der Bestseller-Listen stand.

«Kein Bedarf, niemals»

Buchhinweis

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John le Carré: «Empfindliche Wahrheit.» Ullstein-Verlag, 2013.

Wie in der NSA-Affäre geht es also um «empfindliche Wahrheiten». Oberste Kader in Regierung, Wirtschaft und Geheimdienst versuchen, einem jungen, aufmüpfigen Mitarbeiter im Aussenministerium, Toby Bell, den Mund zu stopfen – wenn's sein muss auch endgültig. Zu empfindlich sind die Wahrheiten, die er da an die Öffentlichkeit zerren will. Und zu dramatisch die Folgen, wenn die Fakten bekannt würden.

Als er einen zuständigen Vorgesetzten zur Rede stellt, wird Bell gewarnt: «Ob Sie oder ich es wissen, darum geht es nicht. Es geht darum, ob die Welt es weiss und ob sie es wissen sollte. Und die Antwort auf beide Fragen, mein Lieber – selbst ein Blinder sieht das, von einem geschulten Diplomaten wie Ihnen gar nicht erst zu reden – ist ein ganz entschiedenes Nein. Kein Bedarf, niemals.»

Eine Vertuschung

Hintergrund für diese Auseinandersetzung ist eine heimliche Anti-Terror-Operation – genannt «Wildlife» –, die vor Jahren auf Gibraltar stattgefunden hatte. Ein islamistischer Waffenkäufer sollte dabei entführt werden.

Offiziell galt die Operation damals als gelungen, selbst britische Regierungsmitglieder waren vom Erfolg überzeugt. Erst Jahre später stösst Toby Bell zufällig auf Ungereimtheiten: Ein Soldat behauptet nämlich, es habe auf Gibraltar unschuldige, zivile Opfer gegeben. Eine Frau und ein Kind seien beim Schusswechsel ums Leben gekommen.

Toby beginnt zu recherchieren – umso mehr, als besagter Augenzeuge plötzlich mit einer Kugel im Kopf gefunden wird. Selbstmord heisst der Befund. Toby Bell glaubt auch hier an eine Vertuschung und nähert sich unbeirrt der «empfindlichen Wahrheit». Dass er dabei sein Leben aufs Spiel setzt, wird ihm erst zu spät klar.

Konzentration gefordert

John le Carré schöpft in seinem neuen Roman «Empfindliche Wahrheit» aus dem Vollen. Kein Zweifel: Er kennt sich auch heute noch aus in der Welt der Geheimdienste. Geschickt wechselt er zwischen den Zeiten, würzt die hochpolitischen Machenschaften mit Informationen über persönliche Schicksale und treibt die Geschichte rasant vorwärts.

Es ist eine brisante und aktuelle Lektüre, die aber recht viel Konzentration erfordert. Es gibt verschiedene parallele Handlungsstränge, und die Namen und Funktionen der Agierenden können gerne auch mal verwechselt werden. Aber «Empfindliche Wahrheiten» sind wohl nicht als leichtfüssige Unterhaltung zu haben.

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