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Michel Houellebecq «Mehr Überzeugungstäter, als viele wahrhaben wollen»

«Er ist ein guter Präsident», schreibt der französische Autor Michel Houellebecq in einem US-Magazin über Donald Trump. Provokation aus Langeweile oder politische Überzeugung? Julian Schütt über einen notorischen Zündler.

Julian Schütt

SRF-Literaturredaktor

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Julian Schütt ist SRF-Literaturredaktor. Er ist vor allem mit seiner Biografie über Max Frisch bekannt geworden. Schütt war Kulturchef der «Weltwoche» und stellvertretender Chefredakteur der Zeitschrift «Du».

SRF: Ein Loblied auf Trump – ist das nicht einfach Provokation und Publicity für Houellebecqs neuen Roman?

Julian Schütt: Das hat Houellebecq nicht nötig. Dafür wird er weltweit zu sehr gefeiert.

Provokationen sind doch Teil seiner künstlerischen Strategie.

Im «Harper's Magazine»-Text kommt nicht nur die Lust am Zündeln zum Ausdruck. Houellebecq ist mehr Überzeugungstäter, als viele seiner Anhänger wahrhaben wollen.

Welche Überzeugungen kommen da zum Ausdruck?

Trump ist ihm willkommen, weil er sich protektionistisch und nationalistisch verhält. Damit setzt er Houellebecqs intellektuelle Haltung politisch um.

Zudem drückt Houellebecq seine Zufriedenheit darüber aus, dass die USA nicht mehr die einzige dominierende Weltmacht sind, die aus Eigeninteressen Kriege führen.

Im Grunde führt Houellebecq im Artikel aber seinerseits einen Krieg. Einen intellektuellen Stellvertreterkrieg gegen Europa, gegen die EU, gegen Internationalisten aller Art.

Was heisst das konkret?

Houellebecq spricht etwa voller Verachtung von der europäischen Wertegemeinschaft. «Welche Werte denn?», fragt er hämisch. «Etwa Menschenrechte?» Europa sei nur eine dumme Idee. Die Briten hätten das eingesehen.

Und wenn er die Schweiz im selben Text zur einzigen Demokratie der Welt erklärt, sollten wir auf dieses Lob nicht zu stolz sein. Dahinter verbirgt sich in erster Linie ein Anti-EU-Statement und ein Statement gegen den realen politischen Alltag in den USA.

Houellebecq arbeitet mit den literarischen Mitteln der Ironie.

Das sind verstaubte anti-europäische Argumente. Warum löst Houellebecq trotzdem so hitzige Reaktionen aus?

Da schwingt die alte Sehnsucht nach intellektuellen Leadergestalten mit. Eine Sehnsucht nach Propheten, die uns profanen Kleingeistern aus vermeintlich höherer Warte den Weg weisen.

Die Kultur hat seit je einen fatalen Hang zu Führer- und Erlösergestalten. Da kommt ein Houellebecq mit seinem Geraune gerade recht. Er stellt sich klar gegen linke-aufklärerische Positionen.

Mit seinem Loblied auf Trump positioniert er sich klar rechts.

Houellebecq sieht sich selber weder links noch rechts, sondern über diesen parteipolitischen Niederungen. Er lobt zwar Trumps protektionistische Handelspolitik, nennt ihn aber auch einen «entsetzlichen Clown».

Trump ist gut, solange er Houellebecqs Ideologie bestätigt. Da zeigt sich mir eine kulturelle Arroganz und Politverachtung, die schon viele Geistesgrössen ausgezeichnet hat, besonders in Europa.

Etwa einen Oswald Spengler oder einen Martin Heidegger, der sich sogar den Nationalsozialisten begeistert anschloss, solange er glaubte, sie würden seine Philosophie in politische Taten umsetzen.

Ein gewagter Vergleich.

Houellebecq ist nicht mit jeder Faser ein Heidegger, also ein Nazi. Aber er schreibt in seinen Pamphleten zum Teil diesen nationalistischen, steilen Geistesaristokratismus fort, der bei Heidegger dann zur Parteinahme für die Nazis und damit zur totalen intellektuellen Katastrophe geführt hatte.

Was Houellebecq allerdings von einem Heidegger unterscheidet: Er ist kein Parteigänger, und er arbeitet noch immer mit den literarischen Mitteln der Ironie.

Was er sagt und was er selber denkt, ist nicht deckungsgleich. Er ist ein Gaukler, der sagt, er provoziere vor allem dann, wenn er sich langweile.

Das Gespräch führte Oliver Meier.

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