Publikumsrückgang, sinkende Auflagen, Geldmangel: Literaturzeitschriften haben in der Schweiz einen schweren Stand.
Das klingt nach einem sicheren Weg in den Untergang, doch seit 2010 gibt es so etwas wie einen Aufschwung: Eine ganze Reihe junger Redaktionen verfolgt das idealistische Ziel, Literaturzeitschriften in der Schweiz wieder hip zu machen.
Die Macher stecken unzählige Stunden freiwilliger Fronarbeit in ihre Produkte. Sie wollen zeigen, dass gute Literatur auch schön aussehen kann. Und siehe da: Das zieht – der fortschreitenden Digitalisierung zum Trotz.
Das Internet ermöglicht gar eine kollektive Arbeit an Texten, ebenso wie das Aufziehen von immer dichteren Netzen aus Querbezügen zwischen einzelnen Texten. Langsam steigt die Zahl der Leserinnen und Leser wieder an.
Hier eine Liste der wichtigen Literaturzeitschriften aus der Schweiz – junge wie alte:
1. Jung und klassisch: «Das Narr»
Ein junges Literaturmagazin, das als Vernissage trotzdem eine klassische Lesung mit Pult und obligatem Wasserglas veranstaltet.
Die Herausgeber sehen immer noch wie Deutsch- und Philosophiestudenten aus und rauchen entsprechend Kette.
- Passend für wen?
Literaturliebhaberinnen, die sich junge Texte gönnen wollen. Und für Grafik-Nerds.
- Warum soll man's lesen?
Sorgfältig ausgewählte Texte, schönes Design (war Anwärter für den Swiss Design Award), kleines Format: Es passt in fast jede Hosentasche.
- Und sonst?
Bezüglich der Rechtschreibung wird keine Einheitlichkeit angestrebt.
2. Jung und frech: «Delirium»
Wo «Das Narr» an seine Grenzen stösst, drückt «Delirium» drauf. Es kennt keine Scheu vor Essays zu gesellschaftlichen Themen. Auch nicht vor geschlechtergerechter Sprache, was die Verwendung von Gendersternchen zeigt: Autor*innen. Beschreibt sich selbst als «Zeitschrift gegen Literatur».
- Passend für wen?
Pfadfinder*innen, Spurensucher*innen.
- Warum soll man's lesen?
Jeder Text im Heft muss mindestens auf einen anderen Text Bezug nehmen, der bereits im «Delirium» publiziert wurde. Und: Jeder literarische Text wird gleich von einer Kritik begleitet.
- Und sonst?
Das «Delirium» hat seine eigene Kunstfigur: den Dichter Gian Fermat. Niemand weiss, wer er wirklich ist.
3. Die Journalistische: «Reportagen»
Sie kennen «Reportagen» nicht? Dann wird es Zeit.
- Passend für wen?
Geschichtensüchtige und Informationsjunkies.
- Warum soll man's lesen?
Trotz journalistischer Ausrichtung enthält das Magazin auch literarisch fein gearbeitete Texte. Die Redaktion schickt unabhängige Reporterinnen und Reporter um den Globus, um ihre Geschichten zu recherchieren. Jede Geschichte überrascht.
- Und sonst?
True Story. Immer.
4. Die Klassischen: «orte», «La Revue de Belles-Lettres», «entwürfe»
Als Einstiegsdroge eher wenig geeignet. Wer sich aber traut, wird belohnt. Hier publizieren nicht nur junge Autorinnen und Autoren, sondern auch welche mit bekannten Namen. Einfach weil sie’s können und wollen.
- Passend für wen?
Belesene Verwandte und literarische Tiefseetaucher.
- Warum soll man's lesen?
Es gibt immer was zu entdecken. Man muss nur hinschauen.