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«Was nicht mehr im Duden steht» – Ein Buch über verstorbene Wörter
Aus Kultur-Aktualität vom 04.12.2018. Bild: imago/robertharding
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Verschwundene Sprache Was tote Wörter erzählen

Sie sind verschwunden, ohne dass es jemand bemerkt hat. Ein unterhaltsamer Essayband erzählt von Wörtern, die aus dem Duden gestrichen wurden.

Haben Sie heute gut genont? Vielleicht. Aber da Sie kaum wissen, was das Wort bedeutet, können Sie die Frage nicht beantworten. «Nonen» meinte früher «zur Mittagszeit ruhen». Das Verb verschwand 1934 aus dem Duden.

Damit das bekannteste deutsche Nachschlagewerk nicht aus allen Nähten platzt, werden immer wieder Wörter gestrichen, die niemand mehr in den Mund nimmt: «Hutgerechtigkeit» ist ein weiteres Beispiel. Das hatte nichts mit Kopfbedeckungen zu tun. Gemeint war das Recht, sein Vieh an einer bestimmten Stelle hüten zu lassen. Oder der «Überschwupper», den es heute zwar immer noch gibt, aber schlicht Pulli heisst.

Solchen verschwundenen Wörtern geht der Autor Peter Graf in 20 Essays nach. Die Dudenredaktion stellte dem Autor thematische Listen mit aussortierten Wörtern zur Verfügung, ergänzt durch das Datum ihrer Streichung. Entlang dieser Wörter erzählt Graf auf unterhaltsame Weise Kulturgeschichte.

Ungeliebte «Kodaker»

Noch in den 1890er Jahren waren im Wilhelminischen Kaiserreich «Nuditätenschnüffler» unterwegs. Das waren Sittlichkeitswächter, die in Bibliotheken und Museen nach verbotenen erotischen Artefakten suchten. Zur gleichen Zeit kamen die «Kodaker» auf. Ein Ausdruck für Paparazzi, die mit einer damals brandneuen Handkamera der Marke Kodak auf Bilderjagd waren.

«Man ist jetzt gar nicht mehr sicher», beschwerte sich der Fürst Otto von Bismarck, «die Kerle lauern einem überall auf mit ihren Knipsapparaten. Man weiss nie, ob man fotografiert oder erschossen wird.»

In der Sprache spiegeln sich Sozial- und Alltagsgeschichte. Viele Wörter haben sich aufgrund der technischen Entwicklung erübrigt. Zwar verwenden wir gelegentlich noch «herumnesteln», aber die «Nestelmacher» gingen vergessen. Es waren Handwerker, die Bänder herstellten. Sie sind dem Fortschritt ebenso anheimgefallen wie der «Selbstwählferndienst» in der Telefonie.

Verlorene Klänge

Bei manchen Wörtern würde man sich eine Wiedereinführung wünschen, einfach, weil sie schön klingen. Ein «Zärtling» etwa, auch wenn das nicht freundlich gemeint war. Heute würde man von einem Weichei sprechen.

Nachbarn hiessen einst «Nebenwohner». «Gegenfüssler» waren jene Menschen, die auf der anderen Seite der Erdkugel leben, so dass sie uns die Füsse entgegenstrecken.

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«Das Lexikon der verschwundenen Dinge und seine Macher»
aus HörPunkt vom 02.07.2018. Bild: SRF / Nino Christen
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Antisemitismus im Duden

Andere Wörter vermisst wohl niemand. Wer will schon einen Heiratsantrag von einem «Nupturienten» bekommen, wie Heiratswillige einmal genannt wurden.

Geschweige denn all die Wörter der NS-Zeit, die kurz nach dem 2. Weltkrieg aus dem Duden entfernt wurden: «Volksschädling», «Rassenhygiene», «Volkspflege», «Verjudung», «Blutfahne», «Rassenaufartung».

Interessant ist auch, welche Wörter während der nationalsozialistischen Herrschaft aus dem Duden gestrichen wurden: «Adar. Nisan. Tischri». Das sind jüdische Monatsnamen, die 1929 aufgenommen und schon 1934 wieder entfernt wurden. Sie fanden nie mehr Aufnahme im Duden.

Graf holt sie wieder in die Gegenwart. Die Suche nach verlorenen Wörtern in seinem Buch lohnt sich. Mit ihnen kann man eintauchen in eine verschwundene Zeit.

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