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«Was uns betrifft» Ein Mütterroman – auch für Männer

Ein bemerkenswertes Buch: Die Schweizer Autorin Laura Vogt zeigt, womit Frauen konfrontiert werden, wenn sie ein Kind bekommen.

«Was uns betrifft»: Der Titel bezieht sich auf Verena und ihre beiden erwachsenen Töchter Rahel und Fenna. Er bezieht sich aber auch auf die verschiedenen Männer und Väter, auf die Kinder und Enkel.

Und im Zentrum steht jeweils die Frage nach den Ansprüchen des Individuums unter den Bedingungen des familiären Zusammenlebens.

Drei Lebensentwürfe

Verena war alleinerziehend, weil ihr Mann keine Mädchen wollte – und weil sie parallel zu ihm eine lesbische Liebesbeziehung pflegte.

Ihre ältere Tochter Rahel wird mit 27 Jahren schwanger. Der Kindsvater hat das Weite gesucht. Doch der Schriftsteller Boris, den sie aus einer Laune heraus anspricht, ist bereit, den Ersatzvater zu geben.

Fenna schliesslich spielt die junge Wilde, die sich die Welt (und die Männer) macht, wie sie ihr gefällt – und dabei heftig aneckt.

Drei Frauen, die mit harten Bandagen für ihren Lebensentwurf kämpfen, der von der Realität des eigenen Kindes jedesmal anders in Frage gestellt wird.

Väter verschwinden

Eine gemeinsame Erfahrung der drei ist, dass Väter verschwinden, Mütter aber bleiben. Das müsste nicht so sein, meint Laura Vogt im Gespräch: «Was nach der Schwangerschaft kommt, ist Sozialisierung. Die ist angelernt. Mütter könnten genauso verschwinden wie Väter, aber meine Erfahrung zeigt, sie tun es sehr viel seltener als Väter.»

Doch auch wenn beide bleiben, stellen sich Hindernisse vor das individuelle Glück.

Kein Raum fürs Denken

Rahel verliert schon während der Schwangerschaft den Faden ihrer Karriere als Jazz-Sängerin vollkommen. Die Rolle als Mutter lässt sich für sie partout nicht mit der Künstlerin zusammenbringen.

Die Autorin Laura Vogt kennt diesen Konflikt aus eigenem Erleben: «Der Raum für das eigene Denken ist mit einem Kind viel kleiner. Früher konnte ich am Morgen schreiben, am Nachmittag spazieren. Das war mit Kind nicht mehr möglich. Diesen Raum musste ich mir als Autorin wieder neu schaffen.»

Buchhinweis

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Laura Vogt: «Was uns betrifft». Zytglogge Verlag, 2020.

Zusammenleben im Zeichen des Kindes

«Was uns betrifft» erzählt vom Zusammenleben unter der Prämisse eines Kindes. Schnörkellos und glaubhaft, dicht und melancholisch zeichnet Laura Vogt auf, wie sich Individualismus und Mutterschaft reiben, wie Befreiung und Abhängigkeit untrennbar zusammengehören.

Vogt scheut sich nicht, den Pfad des politisch korrekten Emanzipationsdiskurses zu verlassen. Väter mögen verschwinden, Männer mögen gewalttätig oder allzu nachgiebig sein. Aber nicht die Anklage interessiert Vogt.

Vielmehr geht es um die Frage: Wie kann Frau unter diesen Bedingungen die Oberhand für das eigene Leben gewinnen? Für diese Frage bohrt Laura Vogt tief und ehrlich und ohne falsche Rücksichten. Ein bemerkenswertes Buch, insbesondere Männern empfohlen.

Radio SRF 2 Kultur, Literaturfenster Schweiz, 14.4.2020, 11:30 Uhr

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