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Orchester auf Reisen Beim Zahne des Pottwals: Auch Instrumente brauchen einen Pass

Wenn Orchester auf Reisen gehen, brauchen nicht nur die Musiker einen Pass, sondern auch ihre Instrumente. Grund dafür ist das Artenschutzabkommen CITES.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Das Artenschutzabkommen CITES regelt den internationalen Handel mit gefährdeten Arten.
  • In Musikinstrumenten sind teilweise heikle Materialien wie Elfenbein verarbeitet. Deren Aus- und Einfuhr muss vom Zoll genau dokumentiert werden.
  • Für Orchester, die ins Ausland reisen, bedeutet das einen grossen Aufwand.

Elfenbein an Geigenwirbeln, mit Krokodilleder bespannte Trommeln, Griffbretter von Gitarren aus Palisanderholz und sogar die Zähne von Pottwalen sind in Instrumenten verarbeitet – zum Beispiel in den Schrauben alter Cellobögen.

Wenn ein Orchester auf Reisen geht, schaut der Zoll deshalb genau in die Instrumentenkiste. Denn das Washingtoner Artenschutzabkommen CITES, das auch die Schweiz unterzeichnet hat, kennt strenge Regeln für den internationalen Handel mit gefährdeten Arten.

Riesiger Aufwand

Um mit Instrumenten über die Grenze zu kommen, braucht es eine ganze Menge Papierkram. Für die bevorstehende China-Tournee des Berner Symphonieorchesters erledigt den Judith Schlosser.

«Das ist viel Aufwand dafür, dass die Reise ja nur eine knappe Woche geht.», sagt die studierte Orchestermanagerin. «Eigentlich müsste in einem halben Jahr die nächste China-Tournee kommen, damit sich das gelohnt hat.»

Eine riesige Liste

Wenn ein Orchester Europa verlässt, müssen alle Instrumente und Bögen erfasst werden. Dafür hat sich Judith Schlosser einen Instrumentenbauer ins Boot geholt. «Der Instrumentenbauer hat sich jedes einzelne Instrument angeschaut. Wir haben Fotos gemacht und wirklich alles aufgenommen, was wir wussten.»

Modell, Hersteller, Baujahr, Wert, Herkunft der Hölzer, und so weiter. Das Ergebnis: eine riesige Liste.

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Legende: Keystone

Palisanderholz und Elfenbein

Manchmal besteht jeder Teil eines Instruments aus einem anderen Holz mit einer anderen Herkunft. Bedenklich in Sachen Artenschutz ist dabei vor allem Palisanderholz. Der sogenannte Rio-Palisander aus Brasilien zum Beispiel fällt neu unter die höchste Schutzstufe.

Verschärft haben sich die CITES-Regelungen bereits vor drei Jahren. Seitdem werden Orchester noch strenger kontrolliert und es gilt Nulltoleranz – selbst wenn es nur um wenige Gramm geht:

«An der Kopfplatte seines Bogens hatte ein Geiger ein bisschen Elfenbein», erzählt Judith Schlosser, «für den brauchen wir einen extra Instrumentenpass. Das sind so geringe Mengen, dass man sich schon manchmal fragt: Muss das wirklich sein, dieser Aufwand?»

Ähnlich wie Rio-Palisander fällt auch Elfenbein in die höchste Schutzklasse. Die Reise mit einem Bogen, an dem Elfenbein verarbeitet ist, ist deswegen aber nicht verboten. Der Bogen braucht nur eine zusätzliche Bewilligung vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen in Bern. Dann sollte eigentlich alles gutgehen.

Die Angst vor dem Zoll

Unter Musikerinnen und Musikern kursieren sie trotzdem: die Horrorgeschichten von beschlagnahmten Bögen, hohen Geldbussen am Zoll und geplatzten Tourneen. Einigen ist das Risiko zu hoch. Sie nehmen deshalb lieber eine zweitklassige Geige mit, sagt Judith Schlosser.

«Das ist nachvollziehbar, aber natürlich wollen wir nicht, dass der Klang des Orchesters schlechter wird, weil alle nur eine 2000-Euro-Geige mitnehmen. Da muss man den Musikern die Angst nehmen und sagen: Solange wir alles gut dokumentieren, wird es kein Problem geben.»

Dokumentation auf Festplatte

Die Mitglieder des Berner Symphonieorchesters kann sie beruhigen: Falls der Zoll Details will, hat sie ihre stolze Liste, die Fotos und die vielen Dokumente auf einer Festplatte gespeichert.

Wirklich entspannen kann die Produktionsleiterin allerdings erst am 15. Mai. Dann landet sie mit allen Musikerinnen und Musikern wieder in Genf – hoffentlich mit allen Instrumenten.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 03.05.2017, 08:20 Uhr

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