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Musik Der amerikanische Kurt Weill

Unzählige Künstler und Intellektuelle sahen sich während der Naziherrschaft gezwungen, Deutschland zu verlassen. Sie gingen sehr unterschiedlich um mit dem Verlust ihrer Heimat. Einer, der nicht damit haderte, sondern sich so schnell wie möglich assimilierte, war der Komponist Kurt Weill.

Wie geht der Mensch damit um, seine Heimat verlassen zu müssen? Die Welt, die man kennt, die einem lieb ist und vertraut, die Sprache, die Gebräuche, das Dorf in dem man lebt? Von den meisten Leuten wissen wir es nicht, sie hinterlassen kein Zeugnis; sie versuchen Fuss zu fassen am neuen Ort, werden glücklich dabei, oder scheitern.

Von vielen der Künstler und Intellektuellen die Deutschland während des Dritten Reiches verlassen mussten – sei es, dass sie jüdischen Glaubens waren, oder Regimegegner oder einfach Persönlichkeiten, die sich nicht kompromittieren lassen wollten – weiss man, wie sie mit den neuen Lebensumständen umgingen, weil sie sich als öffentliche Personen dazu äusserten.

Der Verlust von Heimat: Glück und Fluch

Die Palette ihrer Gefühle reichte von der baren Verzweiflung über das Akzeptieren bis zum Glück, endlich in Freiheit arbeiten zu können. Naturgemäss taten sich Schriftsteller am schwersten, sie waren von ihrer Sprache abgeschnitten, entwurzelt. Kurt Tucholsky beging Selbstmord im schwedischen Exil und Joseph Roth soff sich in Paris zu Tode. Thomas Mann akzeptierte seine Exiljahre widerwillig. Konnte allerdings feudal leben. Billy Wilder schliesslich, der Filmer, fühlte sich in Hollywood wie ein Fisch im Wasser.

Portrait Kurt Weill in Schwarz-weiss
Legende: In Amerika erinnerte nichts an die Musik, die er für Bert Brecht geschrieben hatte. Keystone

Der Komponist Kurt Weill neigte eher zur Seite Wilders. Nach der Machtübernahme 1933 flüchtete er nach Paris, arbeitet an seinen «Sieben Todsünden» und der zweiten Symphonie. Schon zwei Jahre später stieg er in ein Schiff nach New York, um nie mehr zurückzukehren. 1943 wurde er amerikanischer Staatsbürger.

Kurt Weill wird amerikanischer Staatsbürger

Kurt Weill erarbeitete sich in den USA auch einen neuen Stil. Einen amerikanischen. Während seine Lieder, die er im Deutschland der Zwanzigerjahre zu den Texten Bertold Brechts geschrieben hatte, doch sehr deutsch klingen, haben die Songs, die er nach 1940 für den Broadway komponierte, eine Eleganz wie man sie von amerikanischen Kollegen wie Cole Porter kannte.

Die Sängerinnen und Sänger akzeptierten Weills Songs begeistert: Frank Sinatra zum Beispiel nahm drei davon auf: «Speak Low», «September Song» und «Lost in the Stars».

Und Sinatra ist nicht irgendwer. Wenn er einen Song in sein Repertoire aufgenommen hatte, war der quasi geadelt. Der Song hatte damit Eingang gefunden in das, was so gemeinhin «Great American Songbook» genannt wird. Auch Ella Fitzgerald, Sarah Vaughan und Kolleginnen sangen die Lieder und nahmen sie auf. Weill’s Musik war schnell als genuin amerikanisch akzeptiert.

Kurt Weill wird zum amerikanischen Komponisten

Er selber fühlte sich zumindest musikalisch als Amerikaner. Als ihn 1947 das Magazin Life als deutschen Komponisten bezeichnete, protestierte Weill persönlich in einem offenen Brief: «Obgleich ich in Deutschland geboren bin, bezeichne ich mich nicht als ‹deutschen Komponisten›. Die Nazis haben mich eindeutig nicht als solchen bezeichnet, und ich verliess ihr Land 1933 ... Ich bin amerikanischer Staatsbürger, während meiner zwölf Jahre in diesem Land habe ich ausschliesslich für die amerikanische Bühne komponiert ... Ich würde es begrüssen, wenn Sie Ihre Leser auf diese Tatsache hinweisen könnten.»

Und der schwarze Dichter Langston Hughes, der die Texte für Kurt Weills American Opera «Street Scene» verfasste, charakterisierte Kurt Weills Qualitäten folgendermassen: «Wäre er nach Indien eingewandert und nicht in die Vereinigten Staaten von Amerika, hätte er, wie ich fest glaube, wundervolle indische Musik geschrieben.»

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