Kurz vor Mittag. Experimentelle Popmusik schallt durch einen Laden für Naturedelsteine und orientalische Dekogegenstände im Zentrum der niederländischen Stadt Groningen.
Das Setup ist improvisiert. Ein Synthie, eine elektrische Gitarre, eine Boombox dient als Verstärker, eine Chipsdose als Rassel. Das aufstrebende Zürcher Duo Ikan Hyu, in flauschige Mäntel gehüllt, spielt hier im Rahmen des Eurosonic-Festivals ein intimes Mini-Konzert.
«Das hier ist der erste Schritt»
«Wir wollen auch ausserhalb der Schweiz spielen», begründet Anisa Djojoatmodjo die lange Autofahrt in den Norden Hollands, die das Duo mit Ton-, Lichttechniker und viel Material auf sich genommen hat. «Das hier ist der erste Schritt.»
Ein erster Schritt einer Band auf dem Weg ins Ausland: Das ist der Zweck des Eurosonic-Festivals. An dieser Messe für Musik buhlen jedes Jahr Newcomer-Bands aus ganz Europa um die Gunst eines internationalen Publikums.
Ein Auftritt hier kann viel bewirken. Denn unter das Publikum mischen sich gegen 4000 Agentinnen, Konzertveranstalter, Musikjournalistinnen. Wer sie begeistert, eröffnet sich Chancen auf eine Karriere im Ausland.
Und weg sind sie
Für die oft jungen Bands ist das Festival allerdings ein hartes Pflaster. Das hat auch Hannah Bissegger von Ikan Hyu festgestellt, die sich bereits ein paar Konzerte anderer Bands angeschaut hat.
«Die Leute schauen zwei oder drei Songs und gehen dann wieder», erklärt sie. «Wenn sie bleiben, weiss man: Man hat sie im Sack. Aber wenn sie gehen, sollte man sich nicht verunsichern lassen. Es spielen so viele Bands hier!»
Schweiz im Schweinwerferlicht
Die Konkurrenz ist tatsächlich gross: An den vier Festivaltagen treten rund 350 Bands auf. Deshalb weibeln die Agentinnen und Manager auch im Hintergrund für ihre Bands, gerne beim einen oder anderen Bier an den zahlreichen Networking-Anlässen.
Zum Beispiel beim Schweizer Apéro am frühen Abend. Der fällt etwas üppiger aus als üblich, die Schweiz wurde dieses Jahr zum Fokus-Land auserkoren. Es spielen gut 20 statt wie sonst üblich sechs bis acht Schweizer Bands am Eurosonic.
Wie einst Sophie Hunger
Im Stadttheater von Groningen stehen Käseplatten bereit, am Sektglas der Schweizer Botschafter, am Mikrofon gleich im Anschluss Sophie Hunger als Beispiel für eine Schweizer Musikerin, die es geschafft hat. Auch sie hat zu Beginn ihrer internationalen Karriere hier gespielt.
Ein begehrter Gesprächspartner unter den Gästen ist Robert Meijerink, Chef-Booker des Eurosonic-Festivals. Er entscheidet darüber, wer hier spielen darf. Seit Jahren beobachtet er deshalb auch die Schweizer Musikszene.
Sie sei vielfältig und habe sich in den letzten Jahren stark entwickelt. Schweizer Bands hätten gute Chancen auf dem internationalen Markt. So auch Ikan Hyu, die Meijerink letztes Jahr in Zürich gesehen hat: «Ihr Auftritt hat mich überzeugt. Sie verdienen auf jeden Fall die Chance, hier von anderen internationalen Festivals entdeckt zu werden.»
«Das war supertoll!»
Am späten Abend dann gilt es für Ikan Hyu ernst. Auftritt in einem Club im Stadtzentrum. Die Bässe wummern, die Effekte flirren, die Lichter zucken. Ikan Hyu geben Vollgas. Das Publikum dankt's: Nur wenige verlassen den Club, in die vordersten Reihen kommt gar Bewegung. Keine Selbstverständlichkeit an diesem Festival.
Anisa Djojoatmodjo zeigt sich nach dem Konzert positiv überrascht: «Es hätte sein können, dass das Publikum stocksteif dasteht. Aber es haben doch einige Leute getanzt. Das war supertoll!»
Ob der gelungene Auftritt Früchte tragen wird? Die zwei jungen Frauen werden es in den nächsten Monaten erfahren. Falls dann die erhofften Konzertanfragen aus dem Ausland eintreffen.