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Musik Fred Frith, der Grenzensprenger an der Gitarre

Eine Gitarre ist eine Gitarre – könnte man meinen. Doch Fred Frith zeigt: Eine Gitarre ist manchmal eine Kalaschnikow, manchmal eine Geliebte. Man kann sie streicheln oder quälen, sie schreien oder flüstern lassen, mit Saiten, Korpus oder Hals. Und so spannende und berührende Geschichten erzählen.

In einem Interview antwortete Fred Frith auf die Frage nach seinen wichtigsten Einflüssen: «Alles, was ich je gehört habe!» Der Satz ist kennzeichnend für einen Künstler, von dem man vor allem eins erwarten darf: Das Unerwartete.

Fred Frith kennt keine Grenzen, er ist grenzenlos neugierig, grenzenlos fasziniert von seinem Instrument, der Musik überhaupt. Seine Klänge überwinden Grenzen zwischen schön und hässlich, zwischen Musik und Lärm, zwischen musikalischen Genres.

Grenzenlose Offenheit

Vielleicht wurde diese grenzenlose Offenheit in Fred Friths Elternhaus angelegt. Dort sei immer Musik gelaufen, sagt er, und zwar alles: An einem Tag Debussy, am nächsten Django Reinhardt und am dritten Paul Anka. Seine eigene Musik begann auf der Violine, etwa mit fünf. Ziemlich schlecht habe er gespielt, meinte er später, wirklich zu interessieren begann ihn die Musik erst als Jugendlicher. Mit Jahrgang 1949 geriet er mitten in die Beat-Ära der 60er-Jahre. Die Beatles, die Stones, die Shadows, auch die Bluesbands von Alexis Korner und John Mayall führten dazu, dass die Gitarre an die Stelle der Geige trat.

Blues war angesagt, allerdings kam einer von Fred Friths Bandkollegen aus Jugoslawien und mischte seine Musik dem britischen Blues bei, Gitarrenmusik im Sieben-Achtel-Takt. Wichtiger als Kumpel Bojan allerdings wurde, später in der Universität in Cambridge, der Multi-Instrumentalist Tim Hodgkinson. Er öffnete dem Jungen vom Land den Horizont radikal: Mit Charles Mingus und Ornette Coleman, auch mit Francis Bacon und neuer Literatur. Zusammen gründeten sie eine experimentelle Rockband namens Henry Cow. 1968 war das, Fred Frith war 19 und die Jugend in Europa im Aufruhr. Ein guter Moment, um Grenzen zu sprengen.

Die Tore, durch die Pink Floyd, Genesis und Yes schritten

Nach etwa sechs Jahren experimentieren fühlte sich Henry Cow bereit für die erste Platte. «Leg End» hiess sie, was ebenso das Ende eines Beins meinen konnte, (worüber eine Socke gestülpt wird, wie auf dem Plattencover) oder, zusammen geschrieben, «Legend», Legende also. Zur Legende aber wurde Henry Cow erst, als es die Gruppe längst nicht mehr gab: Als die Band, die neue Tore öffnete, durch die Nachfolger wie Pink Floyd, Genesis und Yes schritten.

Parallel dazu realisierte Frith seine erste Solo-LP, ein höchst experimentelles Album, auf dem er die Möglichkeiten seines Instruments auslotete. Ein radikal improvisiertes Album auch, weit weg von der Musik von Henry Cow, bei der doch immerhin Popmusik angesagt war. Und in diese offene Richtung sollte es weitergehen. 1978 war Henry Cow am Ende und Fred Frith etwas rat- und heimatlos. Und genau zu diesem Zeitpunkt erreichte ihn eine Einladung nach New York. Frith setzte sich ins Flugzeug und verliess Grossbritannien.

New York, das Auge des Taifuns

New York erwies sich als Glücksfall: Er geriet buchstäblich ins Auge des Taifuns, es sei einfach der richtige Ort zur richtigen Zeit gewesen. In New York traf er all die Leute, mit denen er in den nächsten Jahren arbeiten sollte: John Zorn, Bill Laswell, Tom Cora, Bob Ostertag und weitere – die Szene explodierte und Fred Frith war mitten drin. Er war bei sich angekommen.

Von diesem Zeitpunkt an ist Fred Frith ein Fixstern, ein Gravitationszentrum, um welches eine ganze Szene kreist. Er betreibt Projekte dies- und jenseits des Ozeans, wird eingeladen von Musikerinnen und Musikern aus aller Welt, um mit ihnen zu arbeiten.Denn alle wissen: Wenn Fred Frith sich eingerichtet hat mit seinen Gitarren, seinen elektronischen Gadgets, mit dem Koffer voll Hilfsmitteln, mit Bögen, Stöcken, Ketten und vielem mehr, womit er die Saiten malträtieren konnte, entsteht vor allem eines: Spannende, gescheite, berührende und immer radikale Musik. Mit Fred Frith ist das möglich, was der Titel eines Dokumentarfilmes über ihn sagt: «Step Across the Border».

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