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Haben Sie Töne, Julia Becker?
Aus Kultur Extras vom 21.12.2012.
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Haben Sie Töne? Julia Becker, ihre Stradivari und der Stern des Südens

Julia Becker, noch keine 30, war 1995 die erste Frau als Konzertmeisterin beim Tonhalle-Orchester Zürich. Sie startete damals gemeinsam mit Chefdirigent David Zinman in ihre erste Zürcher Saison. Im Interview ohne Worte verrät sie ihre Liebe zu Bach und zitiert auch die Münchner Fussball-Hymne.

Dass Julia Becker 1995 in Zürich das Probespiel um die Stelle des ersten Konzertmeisters gewann, kam ihr wie ein Wunder vor. Seither hat sie den Aufstieg des Orchesters zur internationalen Spitze miterlebt und -gestaltet.

Als Konzertmeisterin ist Julia Becker darauf spezialisiert, vom ersten Pult aus den Dirigenten bei der Probenarbeit und im Konzert zu unterstützen. Eine höchst anspruchsvolle Position: Vermittlerin zwischen den Gebärden am Dirigentenpult und den Einsätzen im Orchester, besonders natürlich der ersten Geigen. Der makellose Streicherklang des Orchesters und die musikalische Präzision im Konzert hängen von ihr ab, besonders wenn ein Dirigent sich mal «verhaut».

Schon beim Vorgespräch zum Drehtermin hat die versierte Geigerin eines klar gemacht: Improvisation ist für sie etwas Ungewohntes. Sie wird es versuchen, aber auch Zitate aus bekannten Stücken spielen, als Antwort auf die Fragen im «Haben Sie Töne»-Interview. Wenn die Rede dann auf schnelle Autos kommt, lässt sie mit ihrer Geige dann doch gerne einen Porsche-Motor aufheulen.

Seite an Seite mit den Klassik-Stars

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Julia Becker: «Ich bin noch so begeistert wie vor 18 Jahren»
00:42 min
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Wie sehr sie die 18 Jahre mit David Zinman als Chef des Tonhalle-Orchesters genossen hat, sieht man ihr an, wenn sie von ihm spricht. Aus den vielen Konzerterlebnissen stechen für sie auch die Begegnungen mit Solistinnen und Solisten von Weltrang heraus: Anne Sophie Mutter als Interpretin des Alban Berg-Violinkonzerts, die Abschiedstournee mit Alfred Brendel, die Aufnahmen und vielen Konzerte mit Yefim Bronfman.

Als Konzertmeisterin ist sie Teamplayer und Vermittlerin, aber auch immer wieder selbst in der Rolle als Solistin. Das Heldenleben von Richard Strauss oder Sheherazade von Nikolai Rimsky-Korsakov sind dankbare Aufgaben, aber auch Herausforderungen, bei denen ihr Herz schon mal schneller schlägt. Da ist sie dann auch ganz allein mit ihrer Stradivari-Geige – einer Leihgabe, die sie just für ihre erste Solopartie im «Heldenleben» unter Mariss Jansos bekam. Es wurde ein unvergessliches Konzert. Und auf dieser Leihgabe darf Julia Becker auch heute noch spielen.

Auch als Konzertmeisterin noch mal ein Studium

Julia Becker stammt aus einer Musikerfamilie im Rheinland – den ersten Geigenunterricht erhielt sie von ihrem Vater. Schon früh erlangte sie als Jungstudentin professionelle Reife, bestand Probespiele, bekleidete auch vor der Position in Zürich schon eine Stelle als Konzertmeisterin. Darum suchte sie nach einigen Jahren beim Tonhalle-Orchester das kritische Ohr von Nora Chastain auf, die ihr ein Studium an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) nahe legte. Und so hat die gestandene Geigerin und zweifache Mutter 2004 in Zürich ihr Solodiplom «nachgeholt».

Mit ihrem Kollegen von «gegenüber», am ersten Pult der Violoncelli, Rafael Rosenfeld, spielt sie am 4. und 5. Mai 2013 in der Solistenposition: das Doppelkonzert von Johannes Brahms. Ein Auftritt, auf den sie sich besonders freut, zumal mit dem jungen Dirigenten Karl-Heinz Steffens ein optimaler Begleiter das Tonhalle-Orchester leiten wird. Steffens war vor seiner Dirigentenkarriere Klarinettist der Berliner Philharmoniker.

Fussball-Hymne auf der Geige

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Julia Beckers Emotionen beim Fussballspiel
00:32 min
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Thema Nummer eins zwischen den Konzertmeistern in der Tonhalle ist – neben der Musik – der Fussball. Ihre Kollegen sind Bayern- und Real Madrid-Fans. Da setzt es manchmal lange Diskussionen und auch kleine Kabbeleien ab, verrät Julia Becker lachend.

Als gebürtige Kölnerin schlägt ihr Herz trotz allem immer noch für den 1. FC. Doch dank dem Lebensmittelpunkt am Ammersee ist sie natürlich näher an München. Und wenn sie an ihren Mann und ihren ältesten Sohn denkt, mit denen sie gelegentlich in der Münchner Arena ein Bayern-Spiel verfolgt, dann kommt ihr auch mit der Geige nur die Hymne ihres Vereins in den Sinn: «Stern des Südens».

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