Früh kündigte sich sein Ruhm an: Als die Jury des Warschauer Kompositionswettbewerbs 1959 die Couverts zu den anonym eingereichten Partituren öffnete, entdeckten sie bei allen drei ersten Preisen nur einen Namen: Krzysztof Penderecki.
Nach diesem spektakulären Coup wurde der 1933 geborene Komponist sofort herumgereicht. Ein Jahr später schon erklang «Anaklasis» für Streicher und Perkussion bei den Donaueschinger Musiktagen und musste im Konzert sogar wiederholt werden, eine Seltenheit an diesem Ort.
Kirchliche Kreise reagierten entsetzt
Die rauen, geräuschgeladenen Klangflächen machten Schule und fanden viele Nachahmer. Die unmittelbare Wirkung Musik war ein Hauptmerkmal seiner Musik – und zudem operntauglich.
1969 brachte er seine Oper «Die Teufel von Loudun» auf die Bühne, die den Exorzismus nach einer sexuellen Massenhysterie im Nonnenkloster thematisierte.
Kirchliche Kreise reagierten entsetzt. Dabei waren sie wenige Jahre zuvor so begeistert gewesen, als Penderecki seine eindrückliche «Lukas-Passion» vorstellte. Dieses ebenso eindringliche wie eingängige Oratorium hatte politische Hintergründe.
Er habe der unterdrückten katholischen Kirche im kommunistischen Polen eine Stimme geben wollen, sagte Penderecki später. Geistliche Musik gehörte fortan zu seinen Hauptgebieten.
«Verräter der Avantgarde»
Aber er überraschte auch auf musikalischer Ebene weiter, denn diese Passion enthielt an exponierter Stelle, tonale, ja sogar Dur-Akkorde. Und als 1977 mit seinem Violinkonzert bewusst eine Wende hin und zurück zur Romantik und zur Tonalität einleitete, reagierte die Neue Musik-Szene ablehnend.
Dieser Neuorientierung wegen wurde er als «Verräter der Avantgarde» beschimpft, was er sichtlich genoss. Seinerseits ging er zum Gegenangriff über. Stockhausen und Nono, so sagte er mir damals, seien doch Dilettanten:
«In der Zeit der Zwölftontechnik durfte man keinen reinen Dreiklang benutzen. Das ist so idiotisch. So hätte man etwa einem Maler sagen können: Du darfst alle Farben benutzen, aber nicht Rot! Ich finde, das war armselig und ziemlich primitiv.»
Freundschaft mit Papst Johannes Paul II
In Polen war er längst eine wichtige Persönlichkeit, allein durch seine Freundschaft Papst Johannes Paul II. An der Musikakademie Krakau, an der er einst studiert hatte, wirkte er als Rektor.
Er bezog Position, als er sich 1980 mit einem «Lacrimosa» für die Gewerkschaft «Solidarność» einsetzte. Schliesslich entstand daraus das «Polnische Requiem», das an Ereignisse der polnischen Geschichte erinnert.
Penderecki setzte damit ein mächtiges Zeichen. Wie nahe stand er trotz seiner oppositionellen Haltung den Mächtigen? Übelgenommen wurde es ihm jedenfalls, als er später um Verständnis für den Ministerpräsidenten Jaruzelski warb, der 1981 das Kriegsrecht in Polen verhängt hatte.
Vom Komponisten zum Baumsammler
Ab den 90ern wurde es ruhiger um ihn. Er war viel als Dirigent unterwegs, nicht nur eigener Werke. Zahlreiche Konzerte und Sinfonien entstanden, acht insgesamt an der Zahl. Kammermusik rückte in den Fokus, genau ausgehörte Musik, nicht mehr auf Effekt bedacht.
Daneben widmete er sich intensiv seinem Arboretum mit über 1500 Bäumen, das er auf seinem Landsitz bei Krakau hat. «In diesem Park Bäume nicht nur zu sammeln, sondern ihn architektonisch zu gestalten, ist wie eine unvollendete Sinfonie zu schreiben», erzählte er mir. «Man muss wissen, wie er in hundert Jahren aussieht. Das fasziniert mich.»