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Mahraganat Dieser Sound aus Kairo macht Karriere

Das ägyptische Musikgenre Mahraganat wird immer populärer. Auch hierzulande wird es gespielt – dank einem Schweizer DJ.

Schnell, schrill, dreckig, fröhlich: So klingt Mahraganat, die elektronische Musik aus den Vororten Kairos. In der ägyptischen Hauptstadt kann sich ihr keiner mehr entziehen. Auf den Strassen erklingt sie aus Taxis und Tuktuks, am Nil trägt der Wind sie von den Motorbooten zu den Ufern hinüber.

Mahraganat heisst auf Arabisch Festivals. Inzwischen gehört diese Musik zu fast jedem Fest: keine Geburtstagsparty und erst recht keine Hochzeit ohne Mahraganat. Je lauter, desto besser. Wer sie hört, muss tanzen.

Sozialkritisch, poetisch, obszön

Etwa 2008 hat Mahraganat seinen Anfang genommen. In den Vorstädten mischten junge Männer auf billigen Computern traditionelle Chaabi-Volksmusik mit Sprechgesängen – und schraubten sie per Autotune hoch.

Die Texte handeln von Ausweglosigkeit, Drogen und Frauen. Vom Alltagsleben in den informellen Siedlungen. Oder von lustigen Banalitäten. Sie sind sozialkritisch, poetisch, manchmal obszön.

Mahraganat ist die Stimme der Jungen und der Unterprivilegierten – also der Mehrheit im Land. Von 100 Millionen Ägyptern ist die Hälfte unter 25 Jahre alt.

Ein DJ am DJ-Pult. Sein Kopf ist mit einer Wassermelone bedeckt.
Legende: Phil Battiekh bedeutet auf Arabisch «in der Wassermelone» – und auf gut Deutsch «bekifft». zvg

Während der Revolution erfuhr das Genre einen ersten Bekanntheitsschub. Seit einigen Jahren verbreitet es sich immer weiter, hält Einzug in DJ Sets aller Art, in aller Welt.

Ein ägyptischer Bob Marley?

Dazu trägt massgeblich der Schweizer DJ mit dem Künstlernamen DJ Phil Battiekh bei. Der 30-Jährige hat Islamwissenschaften und Arabisch studiert.

Er besucht Kairo seit 2012 regelmässig. Von Anfang an fand er Gefallen an Mahraganat. Und weil er diese Musik gerne auch daheim hören wollte, begann er sie kurzerhand selber in Clubs aufzulegen.

«Ich glaube, dass Mahraganat das Potenzial hätte, eine ähnliche Stellung in Europa zu haben wie Reggaeton oder Dancehall», sagt Phil Battiekh. «Der Unterschied ist, dass es keinen ägyptischen Bob Marley gegeben hat, der den Begriff bei allen präsent gemacht hat.»

Am ehesten sieht er im Künstler Alaa Fifty einen ägyptischen Marley. Mit ihm und weiteren ägyptischen Musikern arbeitete Phil Battiekh eng zusammen. Sie planen Tourneen, nehmen neue Stücke auf, geben Releases heraus.

Ihr Ziel ist es, das Genre weiterzuentwickeln und dafür mehr Plattformen zu erhalten, etwa an Festivals und in Clubs.

Ein Schritt dahin ist Phil Battiekhs Kompilation «Cairo Concepts» von 2019. Die amerikanische Produzentin DJ Haram habe Instrumentals dazu beigetragen, erzählt Battiekh bei seinem jüngsten, von Pro Helvetia finanzierten Besuch in Kairo.

So populär wie verpönt

In Ägypten ist Mahraganat allerdings so populär wie verpönt. Das eher konservative Musik-Syndikat tut sich schwer damit, das Genre als Kunst zu akzeptieren. Immer wieder kommt es zu Streitereien und Ausschlüssen einiger Interpreten und Interpretinnen.

Die Musik hat inzwischen alle Klassengrenzen überwunden – doch ihre Macher sind noch längst nicht oben angekommen. Oder wie Phil Battikeh es formuliert: «Die Musik wird inzwischen auch an Hochzeiten der Oberschicht gespielt, obwohl die Künstler dort nicht immer als Gäste willkommen wären.»

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