50’000 Titel aus mehr als fünf Jahrhunderten: Das Kloster Einsiedeln beherbergt die grösste private Musikbibliothek der Schweiz. Im Museum Fram unweit des Klosters ist erstmals eine grosse Auswahl an wertvollen Musikalien aus dieser Bibliothek zu sehen.
Im frommen Kloster Einsiedeln wehte seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts auch ein weltliches Lüftchen. Zumindest musikalisch.
Keine Liebesdramen in der Klosterschule
Die Patres studierten mit den Klosterschülern regelmässig Opern ein. Zum Beispiel Rossinis «Wilhelm Tell», Webers «Freischütz» oder Mozarts «Entführung».
Auf dem Besetzungszettel der «Entführung» aus dem Jahr 1833, der in der Ausstellung zu sehen ist, sucht man indes vergeblich nach der weiblichen Titelpartie der Konstanze: Die Patres hatten die Handlung angepasst, da damals in der Klosterschule noch keine Mädchen zugelassen waren.
Besonders pikant: Die ganzen Liebesverwicklungen in den Opern konnten in der damaligen Zeit und im katholischen Kloster unmöglich von zwei Männern dargestellt werden. Deshalb änderte man all diese Liebesbeziehungen zu Vater-Sohn-Beziehungen. So wurden sie umfunktioniert zu einer Vertonung des biblischen Gebots «Ehre deinen Vater und deine Mutter».
Die Schau im Museum Fram zeigt nicht nur, welche Schätze in der Bibliothek hinter dicken Klostermauern schlummern. Die beiden Kuratoren Pater Lukas Helg, der die Bibliothek seit über 40 Jahren leitet, und der Musikwissenschaftler Christoph Riedo haben gezielt auch Stücke ausgesucht, die einen Einblick ins Klosterleben der letzten Jahrhunderte geben.
Musik aus Italien
Thematisch ist die Ausstellung in sieben Abteilungen gegliedert. Eine davon zeigt, warum die Klosterbibliothek auch ausserordentlich viel italienische Musikalien enthält.
Während fast 200 Jahren gab es eine kleine Aussenstelle der Klosterschule in Bellinzona. Darüber gelangte neue Musik aus Norditalien nach Einsiedeln: etwa Abschriften von Musik Johann Christian Bachs, der in den 1750er Jahren in Florenz lebte und wirkte.
Autografe, also eigenhändige Niederschriften der ganz grossen Komponisten, hat die Klosterbibliothek nicht vorzuweisen – abgesehen von einem Skizzenblatt von W. A. Mozart, auf dem er die «Pariser Sinfonie» entwirft.
Auch die weltbekannten Autografe aus dem Mittelalter sind nicht Teil der Musikbibliothek. Sie werden in der Einsiedler Stiftsbibliothek aufbewahrt.
Dafür werden einige der über 30 Komponisten vorgestellt, welche die Klosterschule hervorgebracht hat. Auch kunstvolle, mehrfarbige Drucke aus dem 17. Jahrhundert sind zu sehen und Briefe von Komponistengrössen wie Richard Wagner oder Franz Liszt.
Ein Schatz, der für die Schweiz besonders wertvoll ist, ist das Autograf von Alberich Zwyssigs Messe für Männerchor: Ein Teil daraus wurde später mit einem neuen Text versehen und zur Schweizer Nationalhymne.