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Zeichung: Ein singender Mann hält eine liegende Frau im Arm.
Legende: Nur kurz, viel zu kurz ist das Glück der Liebe für Mimi und Rodolfo. SRF/Patrice Gerber
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Opernführer Die schönsten Arien aus «La Bohème»

Ein Händchen wird besungen, das schon zu Beginn der Oper kalt ist. Eine Krankheitsdiagnose wird erstellt, Fieber und Husten: «Verismo» wie aus dem Opernhandbuch. Und ein alter Mantel bekommt einen Totenmarsch. Drei Highlights aus Puccinis «Bohème».

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    Che gelida manina
    04:50 min Bild: Reuters
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    «Che gelida manina»

    Eine Arie auf ein Händchen, auf ein Körperteil, das wir uns als zerbrechlich vorstellen müssen. Im Falle der an Tuberkulose erkrankten Mimi sicher nicht zu unrecht. Das Händchen, das also bald ganz erkalten wird, ist einem geliebten Wesen zugehörig. Mimi, von deren Liebreiz der mausarme Dichter Rodolfo ganz entzündet ist. Allein, es nützt nichts. Wärme hiesse, dass man etwas zum Verbrennen hat. Und wo dieser Brennstoff nur das heisse Gefühl ist, ist der Tod nicht weit. Puccini wandert auf diesem Grad: heisse Liebe, kalte Welt. Die Arie «Che gelida manina» (Welch kaltes Händchen) glimmt mit ihrer hauchdünnen Streicherbegleitung und den hingetupften Tönen in Harfe und Flöte wie ein bald erlöschendes Kerzenflämmchen. Gefährlich.

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    Mimi è tanto malata
    01:54 min Bild: Reuters
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    «Mimi è tanto malata»

    Das ist Opern-«Verismo», wie er im Buche steht. Die Freunde Rodolfo und Marcello erörtern bestürzt die Krankheit Mimis. «Ein furchtbarer Husten erschüttert ihre schmächtige Brust, ihre abgezehrten Wangen sind von Fieber rot.» Eine genauere Diagnose ist von Künstlern nicht zu erwarten. Schlimm für Mimi, die im Verborgenen lauscht. Puccini deutet die Erregungs- wie Fieberkurven der Drei mit heftigen Crescendi an. Die Unausweichlichkeit, mit der dieser Tod kommen wird, ist allerdings ganz am Anfang mit einem musikalischen Topos erklärt, wie es ihn seit dem frühen Barock gibt: dem Singen mehrerer Silben auf ein und derselben Tonhöhe. Bedrückend.

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    Vecchia zimarra, senti
    02:17 min Bild: Reuters
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    «Vecchia zimarra, senti»

    Auch einem Mantel gebührt eine adäquate Verabschiedung. Der Philosoph Colline verabschiedet seinen alten Mantel («Vecchia zimarra, senti»), bevor er ihn verpfändet. Es ist kaum zu überhören, dass in dieser Arie kurz vor dem Ende der Oper philosophischer Spott nichts mehr nützt. Puccini lässt das Orchester einen Trauermarsch spielen, der den Trauermärschen Gustav Mahlers in nichts nachsteht. Die Singstimme weist mit einem letzten «Addio» in die Leere. Kurzer aufflammender Kommentar des Orchesters, und dann ist auch noch dieses Kleidungsstück, dieser Hoffnungsschimmer weg. Zum Frieren.

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