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Musik «Richard Thompson hört man unter allen Gitarristen heraus»

Der britische Musiker Richard Thompson ist ein «Musician’s Musician»: Einer, der vor allem unter Kollegen viel gilt, beim Publikum aber eher unbekannt ist. Wir haben zwei Schweizer Meistergitarristen nach ihrer Beziehung zum grossen Briten gefragt.

Sein Verdienst als Gitarrist und Songschreiber ist so herausragend, dass er 2011 von der Queen mit dem «Order of the British Empire» geadelt wurde: Richard Thompson, Jahrgang 1949, gilt als einer der wichtigsten und einflussreichsten britischen Musiker der letzten 50 Jahre.

Der Gitarrist begann seine Karriere bei den Folkrock-Pionieren von Fairport Convention, die als erste britische Band altes, traditionelles Liedgut elektrifizierten. Anfangs der 1970er-Jahre begann Richard Thompson eine Solo-Karriere, die ihn beim Publikum zur Kultfigur und unter Musikern zur Legende machte: Seine Songs wurden unter anderen von R.E.M., Robert Plant, Emmylou Harris und David Byrne gecovert.

Was sagen zwei Schweizer Gitarrenprofis über den britischen Musiker? Max Lässer und Hank Shizzoe erzählen über ihre Beziehung zu Richard Thompson:

Max Lässer

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Legende: Bild: Malu Barben

Jahrgang 1950, hat schon alles gespielt: von Folk über Schweizer Tänze und Jazzrock bis zur New Age-Musik. Gastpiele bei Hubert von Goisern und Stephan Eicher vervollständigen das Bild. Sein aktuelles Projekt: das «Überlandorchester», in dem Gitarre auf Schwyzer Örgeli und Hackbrett trifft.

«Jedes Solo ist ein Ausflug an den Abgrund»

Max Lässer: «Richard Thompson ist für mich sehr wichtig: Ich verfolge ihn seit 1974, seit seinem frühen Album ‹I Want to See the Bright Lights Tonight›. Was für ein Songschreiber er schon damals war, als junger Folkmusiker! Seine Musik klang sehr reduziert und präzise.

In mehrerer Hinsicht ist Thompson ein ausserordentlicher und einmaliger Gitarrist: Er kommt nicht aus dem Blues, sondern aus der keltischen Tradition, das hebt ihn von anderen seines Fachs ab. Dazu kommt sein eigener, knackiger Sound, den er virtuos und mit viel Risiko spielt.

Thompson macht eigenwillige melodische Bewegungen: Als einer von wenigen spielt er zweistimmige Solos – und jedes einzelne ist ein echter Ausflug an den Abgrund. Jedes seiner Solos ist einmalig: Was er heute spielt, ist morgen ganz anders. Einen Absturz nimmt Thompson stets in Kauf. Darum gehe ich gerne an seine Konzerte: Seine Auftritte sind Performances, keine fertigen Produkte.

Thompson war sicher auch für jemanden wie den E-Gitarristen Mark Knopfler, der aus einer ähnlichen Ecke kommt, sehr einflussreich: Knopfler hat sich einfach die schönsten Teile seines Sounds herausgesucht und die auf Hochglanz poliert. Thompson aber hört man unter allen Gitarristen der Welt heraus.»

Hank Shizzoe

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Legende: Bild: Silvia Moser

Jahrgang 1966, ist ein der Americana verpflichteter Musiker, der sich auf die Slide-Gitarre spezialisiert hat. Das US-Magazin «Rolling Stone» hört in ihm den einzigen Europäer, der diese Musik glaubhaft spielt. Er war vergangene Saison Hausgitarrist bei Stephan Eicher und momentan wieder mit eigener Band unterwegs.

«Eine wahre Schatztruhe für Songwriter»

Hank Shizzoe: «Ich habe eine sehr lange Beziehung zu Richard Thompson – die begann Mitte der 1980er-Jahre. Auf dem Album ‹Daring Adventures› gab es diesen Song, ‹Al Bowlly’s in Heaven›. Was mir daran gefallen hat, waren die Bildhaftigkeit und die Sprache. ‹Damals waren wir Helden, heute bin ich es nicht mehr.› Wer schreibt schon so einen Song über einen Soldaten des Zweiten Weltkriegs, der sich an Tanzabende zur Musik des Sängers Al Bowlly erinnert? Bei den besten Songs werden Text und Musik zu einer Einheit – und das passiert hier.

Später habe ich den Rest von Richard Thompsons Werk entdeckt: Eine wahre Schatztruhe für Songwriter. Dazu kommt sein Gitarrenspiel: Thompson explodiert weniger, als dass er implodiert. In seiner Musik brodelt immer etwas, das klingt sehr stark.

Thompson ist ein Virtuose mit einem eigenen Stil: Denn er musiziert in einem Spannungsfeld zwischen England und den USA. Die amerikanischen Traditionen kennt er auswendig, aber auch die keltische Folklore. Diese Mischung kriegt man so und in dieser Qualität nur bei ihm.»

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