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Schlagzeugerin Eva Klesse Diese Frau kann ganz schön auf die Pauke hauen

Schlagzeug ist Männersache? Das war einmal. Die junge deutsche Drummerin Eva Klesse setzt ein Ausrufezeichen – nicht nur an ihrem Instrument.

Es sei manchmal schon eine Grenzerfahrung als Instrumentalistin im Jazz in der heutigen Zeit in Deutschland, sagt Eva Klesse. «Doch eigentlich sind es eher Stolpersteine, die unbedingt noch aus dem Weg zu räumen sind.»

Das tut Klesse mit Humor, Gelassenheit und Ironie. Am Anfang wurde sie oft gefragt, wie es sei als Frau Schlagzeug zu spielen. Ihre Antwort darauf: «Wie ist es eigentlich als Mann Trompete oder als Rothaariger Klavier zu spielen?»

Gemäss Klesse müssen diese Rollenklischees unbedingt weiter infrage gestellt werden. «Wir müssen uns unbedingt davon befreien. Wenn wir diese Denkmuster nicht durchbrechen, berauben wir uns vieler Ausdrucksmöglichkeiten als Frau und als Mann.»

Erste Professorin für Jazz-Schlagzeug

Obwohl es Jazz-Ausbildungen bereits seit den 1960er-Jahren gibt, ist Klesse die erste Frau in Deutschland, die eine Professur in einem Instrumentalfach im Bereich Jazz bekommen hat.

eine Frau auf einer Bühne am Schlagzeug
Legende: Das Geschlecht findet sie nebensächlich. Für Eva Klesse zählt die Leidenschaft für die Musik. imago images / BRIGANI-ART

Im Frühjahr 2018 wurde sie an die Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover berufen. «Wir sind gerade im Moment in so einer Umbruchszeit», erklärt sie, «nicht nur in der Jazzszene, sondern auch gesamtgesellschaftlich.»

Allein unter Männern

Mit elf fängt Klesse mit dem Schlagzeugspiel an, ist dann in diversen Rockbands aktiv. Sie studiert Jazz-Schlagzeug an den Musikhochschulen Leipzig, Weimar und Paris. Von 2014 bis 2016 lebt sie in New York und macht dort ihren Master of Music an der New York University.

Klesse gründet 2013 das nach ihr benannte Quartett und ist eine der wenigen Band-Leaderinnen im Jazz. Sie sorgt für Struktur und Ordnung, schlichtet Konflikte und behält den Überblick.

Kopf der Band

Das sei eine herausfordernde Situation. Einerseits sei das Quartett ein musikalisch komplettes Kollektiv – gleichberechtigt und demokratisch. Andererseits sei sie «nach wie vor der organisatorische Kopf der Band, die Sammelstelle, wo alle Fäden zusammenlaufen.»

Vier Menschen halten einen Preis
Legende: Die Klasse des Klesse Quartetts wurde an der Echo Jazz Verleihung 2015 gewürdigt. imago images / Future Image

Im Laufe der Jahre hat Klesse mehr und mehr ihre klangrhythmischen Fähigkeiten ausgebaut. Heute ist sie eine gefragte Musikerin. Das 2014 veröffentlichte Debütalbum «Xenon» wurde mit dem Echo Jazz 2015 in der Kategorie «Newcomer des Jahres» ausgezeichnet. Das zweite Album des Quartetts mit dem Titel «Obenland» ist 2016 erschienen, das dritte Album «miniatures» im Oktober 2018.

Gerade ist mit «creatures & states» die vierte Platte ihres Quartetts erschienen. Die Schlagzeugerin lässt den verschiedenen Charakteren Raum, integriert diese in den Klangkosmos der Band und setzt eine Dynamik in Gang. Die gemeinsame Klangsprache ist fein aufeinander abgestimmt.

Klesse wünscht sich, dass dieses «Mann-Frau-Ding» irgendwann keine Rolle mehr spielt. «Wir sind gerade noch so die Vorreiterinnen in dem Bereich. Aber ich denke und hoffe, dass es irgendwann nur noch um Musik geht und das andere total nebensächlich wird.»

Aus der Tiefe des Traumes

Klesse geht in ihre frühe Kindheit zurück, lässt Erinnerungen – Wesen und Zustände – wieder aufleben. Da taucht etwa ein kleines Miniflusspferd im Opener «Brushing Hippopotami» auf. Es könnte dem Buch «Petterson und Findus» entsprungen sein.

Im Traum ist Klesse dieser Kreatur begegnet, das gebürstet werden wollte. Alle Bandmitglieder seien konkret an der Geschichte dran, sagt sie, «alle bürsten mit ihrem Instrument».

Im gleichnamigen Stück «Flirr» will Klesse den Zustand der Vorfreude vertonen. «creatures & states» – ein Sound voller Tiefe: Ob Schlagzeug, Klavier, Saxofon oder Bass, alle Instrumente fügen sich organisch in den wunderbaren Klangkosmos.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Jazz World Aktuell, 13.10.2020,

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