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Zeichnung: Aus einem Bildschitm kommt eine Faust, ein Mann boxt dagegen.
Legende: Als Einzelkämpfer kommt man bei Diskussionen im Netz nicht weit. #ichbinhier setzt deshalb auf das Kollektiv. Getty Images
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Hass im Netz Wie man Trollen die Stirn bietet

Die Gruppe #ichbinhier von Hannes Ley will die Debattenkultur im Netz verbessern. In einem Buch erklärt er, warum man diesen hoffnungslosen Kampf führen soll.

Kann man den Kampf gegen Hasskommentare im Netz gewinnen? Vermutlich nicht. Denn gegen organisierte Hassredner und Trollfabriken kommt man in einer Diskussion nicht an.

Antreten sollte man aber dennoch, findet der Kommunikationsberater Hannes Ley. Er hat deshalb vor über einem Jahr die Facebook-Gruppe #ichbinhier gegründet.

Video
Hallo Hater! - Kampf gegen den Hass im Netz
Aus Club vom 13.02.2018.
abspielen. Laufzeit 1 Minute 15 Sekunden.

Schwedisches Vorbild

In seinem Buch «#ichbinhier – Zusammen gegen Fake News und Hass im Netz» beschriebt Ley die Entstehung der Gruppe. Heute zählt #ichbinhier mehr als 37'000 Mitglieder.

Beitreten kann jeder, in die geschlossene Facebook-Gruppe kommen aber nur Profile, die von #ichbinhier-Moderatoren kontrolliert wurden. Motivation für die Gründung waren die Empörung über das Ausmass des Hasses im Netz. Und der Wille, etwas dagegen zu tun.

Das Konzept für seine Initiative hat sich Ley bei der schwedischen Facebook-Gruppe #jagärhär abgeschaut. Durch gemeinsames, koordiniertes Vorgehen soll im Kampf gegen den Hass etwas erreicht werden – zumindest punktuell.

Buchhinweis:

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Hannes Ley: «#ichbinhier. Zusammen gegen Fake News und Hass im Netz.» DuMont, 2018.

Gegen Hass anschrieben

Das Kollektiv sucht sich Orte aus, an denen in eine bestehende Diskussion eingestiegen wird. Das sind meistens Posts auf der Facebook-Seite einer Zeitung. #ichbinhier will Hasskommentaren mit sachlicher Gegenrede begegnen, die Gruppenmitglieder unterstützen sich dabei gegenseitig.

In der Gruppe versorgt man sich mit Argumenten und Fakten. Indem die Mitglieder ihre Kommentare gegenseitig liken, verschaffen sie sich mehr Sichtbarkeit. Und sie unterstützen sich moralisch – denn diese Diskussionen können frustrierend sein.

Drei Personen posieren lachend auf einer Bühne.
Legende: 2017 wurde #ichbinhier mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet: Hannes Ley (rechts) mit Laudatorin Ronja von Rönne und Gruppenmitglied Tom Keller. Grimme-Institut/Arkadiusz Goniwiecha , Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen

Alex Urban ist seit einem guten Jahr bei #ichbinhier dabei. Er hat Hannes Ley als Leiter der Facebook-Gruppe abgelöst, weil dieser inzwischen andere Aufgaben übernommen hat.

Urban kennt den Frust, der beim Diskutieren im Netz entstehen kann: «Ich wurde in dieser Zeit schon etwas abgehärtet. Aber anfangs hat es mich sehr mitgenommen und sehr geärgert. Man wird ja auch persönlich angegangen.»

Alex Urban

Alex Urban

#ichbinhier

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Der Wirtschaftsingenieur Alex Urban ist seit Mitte 2017 der leitende Administrator der Facebook-Gruppe #ichbinhier.

Debattieren vor Publikum

#ichbinhier will die Debatte versachlichen und eine konstruktive Diskussionskultur schaffen. Es gehe nicht darum, Meinungen zu ändern.

Wenn sich das Gegenüber einer Debatte verweigert, sei aber nicht viel zu gewinnen. «Da kann man dann nur noch einen Punkt dagegensetzen für den stillen Mitleser, damit er eine andere Perspektive sieht. Und dann muss man rausgehen», sagt Urban.

Man schreibe immer auch für jene, die selbst gar nicht mitdiskutieren, aber die Kommentare lesen, erklärt Urban: «Man muss immer daran denken, dass man sich auf einer Bühne befindet. Bei der Bild-Zeitung lesen potenziell zwei Millionen andere mit.»

Wirken im Kleinen

Wirken könne #ichbinhier «im Kleinen», schreibt Ley. Er appelliert deshalb an Unternehmen wie Facebook, ihren Beitrag zu einer Verbesserung der Debattenkultur zu leisten. Und auch an den Staat – denn ohne gesetzlichen Druck würden die Unternehmen nichts unternehmen.

Das Buch «#ichbinhier»

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Auf rund 200 Seiten beschreibt Hannes Ley die Entstehung von #ichbinhier. Er erklärt, wie ein Kampf für eine bessere Debattenkultur im Netz seiner Meinung nach funktionieren kann und wo Schwierigkeiten und Gefahren liegen. Als Wegleitung für das Kommentieren im Netz dient das Buch nur bedingt: Zwar gibt es eine Liste mit Tipps, konkrete Beispiele einer erfolgreichen Diskussion fehlen jedoch gänzlich. Das Phänomen der Hasskommentare stellt Ley in mehreren Exkursen in gesamtgesellschaftliche und politische Zusammenhänge – sein Appell für eine faktenbasierte Debatte kommt aber leider komplett ohne Quellenangaben aus, sogar wenn Statistiken zitiert werden.

Die Gruppe will künftig stärker auch offline aktiv werden. Mit Kursen an Schulen will sie Medienkompetenzen stärken, und in der Zusammenarbeit mit Redaktionen ihre Erfahrungen mit Hasskommentaren direkt weitergeben.

Grosser Einsatz im Kleinen

Bei vielen Medienhäusern gebe es noch Handlungsbedarf, sagt Urban: «Es gibt einige Medien, die machen das vorbildlich. Andere lassen es weiterhin einfach laufen.» Es gebe immerhin kleine Fortschritte – einige Medien hätten auf die Kritik der Gruppe reagiert und würden heute auf Facebook stärker eingreifen.

Bis Unternehmen und Gesetzgeber einen entscheidenden Beitrag zu einer besseren Diskussionskultur leisten, setzt #ichbinhier weiterhin auf den Einsatz an der Kommentarfront – im Kollektiv. Trotzdem gibt Hannes Ley in seinem Buch auch einige Tipps für Einzelkämpfer.

Was tun gegen Hasskommentare? Tipps aus dem Buch «#ichbinhier».

Inhalte melden:Bei Facebook können problematische Inhalte leicht gemeldet werden. Schwerwiegendere Fällen können auch direkt bei der Polizei gemeldet werden.

Dort handeln, wo es etwas bringt:
Mit einer organisierten Troll-Armee legt man sich besser nicht an. Man sollte dort in die Diskussion einsteigen, wo man sich tatsächlich Gesprächsbereitschaft erhofft.

Verständnis aufbringen: Eine erfolgreiche Debatte ist nur möglich, wenn man versucht, das Gegenüber zu verstehen.

Argumentieren auf Augenhöhe:Wer auf Schreibfehlern herumreitet oder herablassende Besserwisserei von sich gibt, kann keine konstruktive Debatte führen.

Fragen statt Fakten:Gezieltes Nachfragen zeigt Interesse am Gesprächspartner – das bringt mehr, als das Gegenüber mit Fakten zuzudecken.
Selbstschutz:Indem man aus verfahrenen Diskussionen aussteigt und böswillige Kommentatoren blockiert, vermeidet man
Frust. Und man sollte darauf achten, auf dem Profil keine persönlichen Daten zu veröffentlichen – so verhindert man Angriffe ausserhalb von Facebook.

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