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Netzwelt Internet-Betrug: Wie du mir, so ich dir

Wenn im Internet das grosse Geld lockt, ist Vorsicht geboten. Scammer – zu deutsch: Vorschussbetrüger – treiben ein hinterhältiges Spiel. Scambaiter drehen den Spiess um und machen aus Betrügern Betrogene. Ein nicht ganz unumstrittenes Hobby.

Sie versuchen einen mit dem grossen Geld zu ködern. Mit einer vergessenen Erbschaft zum Beispiel oder einer Belohnung, wenn man ihnen hilft, ihr Geld vor einem korrupten Staat in Sicherheit zu bringen. «Nur 200 Dollar für Formalitäten und du bist reich!», lautet das Versprechen.

Doch wer anbeisst, findet sich am Haken der Vorschussbetrüger wieder. Denn bald treten Widrigkeiten und Kosten auf – reicher wird nur der Vorschussbetrüger. Es sei denn, er trifft auf einen Scambaiter. Zu Deutsch: einer, der Betrüger ködert.

Epische Räubergeschichten

Scambaiter wollen also den Spiess umdrehen. Sie treten mit den Vorschussbetrügern in Kontakt, um sie mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. Die Betrüger sollen Zeit, ihre Anonymität und vielleicht sogar ein bisschen Geld verlieren.

Scambaiting ist ein Hobby, über das sich Gleichgesinnte auf einschlägigen Websites austauschen. Erfolgreiche Scams werden Mail für Mail dokumentiert (zum Beispiel hier). So entsteht eine Art interaktives Mail-Theater, bei dem ein Scambaiter auch gerne mehrere Figuren spielt.

Obwohl die Geschichten oft episch lang sind, lesen sie sich sehr amüsant. Das liegt an der Doppelmoral, wenn jeder dem anderen vorwirft, ihn über den Tisch ziehen zu wollen, an kulturellen Unterschieden – zwei Drittel der Scam-Mails werden gemäss Schätzungen aus Nigeria versandt – wenn der Betrüger plötzlich seinen Propheten zu Rate zieht. Europäer schmunzeln auch, wenn die afrikanischen Betrüger ganz selbstverständlich mit Bart Simpson oder Frank N. Stein korrespondieren.

Das Spiel wird bedrohlich

Scambaiting ist nicht im Web entstanden. Die Ursprünge des Phänomens gehen in die späten 90er-Jahre zurück, als die Vorschussbetrüger noch mit Fax und Telefon agierten. Der amerikanische Autor Brian Wizard gilt als einer der ersten, der sich auf diese Betrüger einliess. Er dokumentierte seine Korrespondenz im Buch «Nigerian 419 Scam. Game over!», das er im Jahr 2000 im Selbstverlag veröffentlichte.

Während Wizard durchaus noch Sympathien gehegt habe für die Vorschussbetrüger, glichen Scambaiting-Websites heute immer mehr virtuellen Prangern, kritisiert Matthias Krings von der Gutenberg Universität in einem Essay.

Das Lachen bleibt im Hals stecken

Darüber hinaus zeigt der Ethnologie Professor Fälle auf, in denen es zu körperlichen Übergriffen gekommen sei. Zum Beispiel, als ein Betrüger dazu gebracht wurde, sich das Logo einer fiktiven Kirche auf die Brust zu tätowieren. Oder als Betrügern vorgegaukelt wurde, dass sie dringend etwas Wertvolles abholen sollten und so in Krisengebiete gelockt wurden. Solche Reisen können lebensbedrohlich sein.

Scambaiting kann sehr witzig sein. Aber wenn Betrüger nicht nur enttarnt und in epische Geschichten verstrickt, sondern blossgestellt und erniedrigt werden, bleibt einem das Lachen auch mal im Halse stecken.

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