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Cindy Sherman auf Instagram Tägliche Grüsse aus der Selfie-Hölle

Die Fotografin Cindy Sherman teilt auf Instagram Selfies. Statt schönen Schein zu wahren, mimt sie trashige Heilige, Gnome oder unheimliche Clowns.

Worum geht's?

Bis vor Kurzem war @misterfriedas_mom ein Instagram-Account wie jeder andere: Fotos von inspirierenden Orten, Essen und Kunst.

So sieht die Fotografin Cindy Sherman in Wirklichkeit aus.
Legende: So sieht Cindy Sherman in Wirklichkeit aus. Keystone

Letzte Woche wurde aus diesem privaten Profil ein öffentliches – und der anonyme Name durch denjenigen der Besitzerin ersetzt: @_cindysherman_, die bekannte amerikanische Fotografin.

Auf diesem Profil teilte Cindy Sherman nun über 40 Selfies. Allerdings nicht ganz in klassischer Selfie-Manier: Ihr Gesicht ist auf den Bildern verzerrt oder in grellen Farben überschminkt.

Instagram und Kunst

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Instagram ist für die Kunstwelt eine wichtige Plattform. Künstler, Galeristen und Kuratoren aus der ganzen Welt tauschen sich hier aus: Die einen teilen ihre Werke, die anderen finden sie. Künstlerinnen wie Amalia Ulman sehen Instagram selbst als Kunst.

Ihre Haut ist teils glatt wie eine Puppe, teils runzlig wie bei einer alten Frau. Mal ist der Mund zu gross, mal die Zähne zu weiss, die Augen glänzen künstlich, das Gesicht ist durch Dellen verformt. Wie ein unheimliches Fabelwesen kommt Cindy Sherman daher.

Warum ist's interessant?

Wenn Sherman Selfies macht, ist das mehr als eine private Spielerei. Sie greift damit eines ihrer Grundthemen als Fotografin auf: Selbstbildnisse von Frauen.

Die Selfies lässt an ihre bekannte Bild-Serie «Untitled Film Stills» aus den 1980ern denken. Für diese Schwarz-Weiss-Selbstporträts stellte Sherman klischeehafte Frauentypen dar, nahm etwa verführerische Posen ein. Die Darstellung unterlief sie dann aber, etwa durch merkwürdige Kamerawinkel oder Requisiten.

Bei den Instagram-Fotos braucht Sherman nun Apps, um nachträglich irritierende Elemente einzubauen: Solche, mit denen man künstlich Make-Up aufträgt oder das Gesicht vorteilhaft modellieren kann.

Screenshot

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Wir sprechen über aktuelle Geschichten und Debatten im Internet. Von Montag bis Donnerstag um 17.40 Uhr in der Rubrik «Screenshot» bei Radio SRF 2 Kultur.

Dadurch nimmt Sherman die Selfie-Kultur und den Narzissmus im Netz auf die Schippe. Sie stellt etwa Ikonen aus der Kunst nach und kombiniert das mit trashigen Effekten.

Auf einem Foto posiert sie wie eine Heilige, die von Regenbogen-Strahlen umgeben ist. Im Hintergrund erkennt man, dass sie – ganz unspektakulär – im Auto sitzt.

Solche Bilder sind sehr witzig, andere auch verstörend. Typisch für die Künstlerin.

Auf einem Selfie zerfällt ihr Gesicht in einzelne Partien. Auf einem anderen liegt Sherman im Spital und ist an eine Beatmungsmaschine angeschlossen.

Oft ist das Make-Up auch so aufgetragen, dass es eher wie eine misslungene OP oder Spuren eines Kampfes aussieht.

Unterdessen hat Shermans Account bereits knapp 80'000 Follower. Ihr Profilbild? Cindy Sherman als grusliger Clown, mit weiss umrahmten Augen und roten Punkten auf der Wange. Durch den Selbstauslöser offenbart die Künstlerin, wie nahe das Idealisierende und das Unheimliche zusammenliegen.

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