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E-Voting So funktioniert die virtuelle Urne

Dieses Wochenende finden in der ganzen Schweiz Urnengänge statt. Dabei werden 80 bis 90 Prozent der Voten per Brief abgegeben. Währenddessen treibt der Bund ein weiteres System voran: Die elektronische Stimmabgabe. Dabei kommen zwei Systeme zum Einsatz.

  • Geht es nach dem Willen des Bundes soll das E-Voting schon in wenigen Jahren in der ganzen Schweiz eingeführt werden.
  • Dass eine virtuelle Wahlurne gehackt wird, kann man nicht ausschliessen. Doch würde dies nicht unbemerkt bleiben.
  • Gegner des E-Voting kritisieren, man gebe das Herzstück der schweizerischen Demokratie in die Hand von ein paar wenigen Spezialisten.

Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger möchten auch über das Internet abstimmen können, sagt René Lenzin von der Bundeskanzlei. Als Stabsstelle berät und unterstützt diese den Bundesrat in seinen Tätigkeiten. Bei den unter 45-jährigen ist eine von vier Personen der Meinung, dass E-Voting unbedingt nötig ist.

Zudem wolle der Bundesrat vorwärts machen, weil er die politischen Rechte ins Zeitalter der Digitalisierung überführen wolle, so Lenzin.

Bis jetzt erst Versuchsbetrieb

Dieses Wochenende können in acht Kantonen ausgewählte Personengruppen ihre Stimme übers Internet mit einem Mausklick abgeben. Zusammengerechnet rund 180'000 Schweizer Stimmberechtigte, davon sind 77'000 Schweizerinnen und Schweizer, die im Ausland leben.

Dabei kommen zwei verschiedene Informatiksysteme zum Einsatz, beide sind vom Bund genehmigt für diese Versuche. Und beide machen vom Prinzip her das Gleiche. Das eine wurde vom Kanton Genf entwickelt und das andere von der Schweizerischen Post.

Viele Codes abtippen

Konkret sitzt man dann beim Abstimmen oder Wählen vor dem Computer und tippt erst einmal Zahlen und Buchstabenkombinationen vom Stimmzettel ab. 24 Zeichen braucht es, um sich beim System anzumelden, inklusive des eigenen Geburtsjahrs.

Danach erscheint auf dem Bildschirm der elektronische Stimmzettel. Dort kann dann «Ja» oder «Nein» gestimmt werden, bei Wahlen können die Namen der Kandidaten ausgewählt werden.

Ist man mit dem Eingegebenen zufrieden, bestätigt man dies durch einen Mausklick. Das Programm berechnet dann für jedes «Ja», «Nein» und für jeden Kandidaten einen Zahlencode und zeigt diesen auf dem Bildschirm an.

Die Stimme kontrollieren

«Die sogenannte individuelle Verifizierbarkeit erlaubt dem Bürger, dass er selber kontrollieren kann, ob seine Stimme richtig und unverändert abgespeichert wurde», sagt Claudia Pletscher. Sie ist Leiterin der Geschäftseinheit Entwicklung und Innovation bei der Post.

Wer diese Überprüfung tatsächlich vornehmen will, muss ziemlich viele Zahlen mit einer Liste vergleichen. Für jedes «Ja» oder «Nein» ein anderer vierstelliger Zahlencode.

Die virtuelle Urne

Mit einem weiteren Mausklick wird dann die Stimme elektronisch abgeschickt – in die virtuelle Wahlurne, verschlüsselt natürlich. Dann muss noch ein entscheidender Punkt geschehen: Die Wahrung des Stimm- und Wahlgeheimnisses.

Dabei muss die Identität des Abstimmenden getrennt werden von der eigentlichen Stimme, von seinen Ja- und Nein-Voten. Dieser Vorgang nennt sich «kryptografisches Mischen» und ist ziemlich komplex, wie Eric Dubuis von der Berner Fachhochschule erklärt.

Er begleitet die beiden E-Voting Projekte des Kantons Genf und der Post wissenschaftlich. «Man trennt die Identitäten von den Stimmen ab, muss aber schauen, dass die abgeschnittenen Schnipsel nachher nicht wieder zusammengesetzt werden können», sagt Dubuis. Sonst könne man wieder auf die Identität des Stimmenden zurückschliessen.

Die virtuelle Urne sammelt die Stimmen und trennt sie von den Namen ab. Erst am Sonntag der Auszählung wird sie dann «geöffnet», durch zwei Mitglieder der Wahlkommission.

Urne kann gehackt werden

Vorgaben der Bundeskanzlei

Box aufklappen Box zuklappen

Nach welchen Kriterien die E-Voting-Systeme umgesetzt werden müssen, hält die Bundeskanzlei in zwei Dokumenten fest: Die «Verordnung der BK über die elektronische Stimmabgabe» definiert die Modalitäten; ins Detail geht jedoch der Anhang, «Technische und administrative Anforderungen an die elektronischen Stimmabgabe».

Dass eine solche Urne gehackt werde, könne man nicht ausschliessen, sagt Informatikprofessor Eric Dubuis. Doch würde dies nicht unbemerkt bleiben.

Die Sicherheitssysteme sind so ausgelegt, dass jede Veränderung an den Daten festgestellt werden kann. Es nützt der Hackerin oder dem Hacker also nichts, wenn sie aus einem «Ja» ein «Nein» macht.

Die Urne ist damit zwar sicher vor solchen Cyberangriffen, doch würde ein solches Ereignis auch bedeuten, dass die Abstimmung wiederholt werden müsste, was aufwendig und teuer ist.

Keine direkte Kontrolle mehr

Beim heutigen analogen System mit physischen Wahlurnen und Menschen, welche die Stimmen auszählen, kann jede Bürgerin und jeder Bürger verstehen, wie es funktioniert. Das Vertrauen in dieses System ist auch entsprechend hoch.

Im Fall der virtuellen Urne beim E-Voting ist das anders, sagt Eric Dubuis: «Diesen Vorgang verstehen nur wenige Leute. Das hier ist ein typischer Fall, wo sich die grosse Mehrheit auf eine Minderheit von Experten verlassen muss».

Das ist auch einer der Hauptkritikpunkte von Gegnern des E-Voting. Man gebe das Herzstück der schweizerischen Demokratie in die Hand von ein paar wenigen Spezialisten.

Der Bundesrat gibt Gas

«Es ist keine Links-Rechts Frage, es gibt Befürworter und Skeptiker aus dem ganzen politischen Spektrum. Das ist auch ein Grund, weshalb man das nicht von heute auf morgen einführen kann», sagt René Lenzin von der Bundeskanzlei.

Der Bundesrat drückt derweil aufs Gaspedal und hofft, dass bis 2019 zwei Drittel aller Kantone E-Voting anbieten. Doch die Kantone entscheiden selber ob sie das wollen oder nicht. Der Bund kann sie nicht zwingen.

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