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Steinschlag-Experiment Bergsturz am Flüelapass – mit künstlichen Steinen

Forscher haben in der Nähe von Davos einen Steinschlag simuliert. Damit will man künftig Gefahren besser einschätzen.

  • Forscher in Davos haben einen künstlichen Steinschlag getestet.
  • So sollen Modelle zur Gefahrenbewertung verbessert werden.
  • In der Schweiz sind Tausende von Objekten durch Steinschlag gefährdet.

Gefahren besser einschätzen

Es gibt Tausende gefährdete Objekte in der Schweiz: Strassen, Wege, aber auch Häuser. Das WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung in Davos (SLF) befasst sich mit der Bewertung solcher Naturgefahren.

Die Forscher entwickelten deshalb eine Software, die Lawinen, Murgänge und eben auch Steinschläge simulieren kann. Das soll helfen, an exponierten Orten die Gefahr besser einzuschätzen. Beispielsweise ob eine Bauzone noch sicher ist, aber auch ob ein Verkehrsweg Schutzmassnahmen braucht, wie zum Beispiel ein Auffangnetz oder gar eine Galerie oder ein Tunnel.

Ein gelber Helikopter hat einen künstlichen Stein mit Drahseil zur Startrampe geflogen.
Legende: Der Helikopter hat den Stein soeben auf der Startrampe abgeladen. WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF

Lawinenwinter waren der Auslöser

Die Lawinenwinter 1951 und 1999 führten dazu, dass man abschätzen wollte, wie weit extreme Lawinen gehen können. «Man hat das zuerst mit Bleistift und Papier gemacht. Heute gibt es Modelle im Computer, die das sehr effizient berechnen können», erzählt Yves Bühler, Forscher am SLF.

Diese Software wurde laufend ergänzt und enthält heute auch ein Modul für Steinschlag, das sogenannte RAMMS Modul. Damit lässt sich berechnen, wie ein einzelner Stein einen Hang herunterfällt und insbesondere, wo er schliesslich zum Stillstand kommt.

Doch die Unsicherheiten beim Modell sind noch recht gross. Ist ein Hang sehr steil, kann die Ungenauigkeit sogar mehrere 100 Meter betragen.

Ein künstlicher Stein rollt mit hoher Geschwindigkeit einen mit Steinen durchsetzen Grashang herunter.
Legende: Einer der künstlichen Steine auf seinem Weg den Hang hinunter. WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF

Grossversuch im Freien

Um die Modelle exakter zu machen, müssen die Forscherinnen und Forscher deshalb auch Experimente im Freien durchführen. Am Flüelapass bei Chant Sura stossen die SLF Forscher nun bis zu 820 Kilogramm schwere Steine einen 300 Meter langen, steilen Hang hinunter.

Dabei wird alles genau vermessen. «Sensoren in den Steinen drin messen die Umdrehungen und die wirkenden Kräfte, aber auch, wie hoch er springt», erzählt Yves Bühler. Zudem werden mit Kameras die Sturzbahnen der Steine exakt aufgenommen.

Das Computermodell benötigt aber auch noch eine exakte Vermessung des Geländes, auf dem die Steine herunterrollen. Dazu vermessen die Forscher mit Drohnen und Kameras den Hang mit einer Auflösung von 5 Zentimeter.

Ein Mann mit einer Strickmütze und orangen Gore-Tex-Jacke steht vor dem Mikrofon.
Legende: Yves Bühler, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am SLF. SRF

Steine aus Beton

«Auf einen halben Meter genau wollen wir nachher mit diesen Daten rekonstruieren können, wo der Stein durch ist», sagt Yves Bühler. In diesem Experiment soll die Form der Steine keine Rolle spielen. Nur das Gelände soll bestimmen, wohin ein Stein fliegt.

Damit das funktioniert, müssen die Steine deshalb immer die gleiche Form haben. Die Forscher haben sich deshalb entschieden, künstliche Steine den Hang hinunter zu rollen.

Die Steine sind aus faserverstärktem Beton. Doch nicht alle Steine überstehen die Stürze gleich gut. «Der Stein mit 200 Kilogramm ist nach zwei Mal bereits auseinandergebrochen», so Bühler. Trotzdem lieferte genau dies eine interessante Erkenntnis.

Schwere Steine kommen (nicht) am weitesten

Grosse Steine würden weiter rollen als kleine – so die gängige Lehrmeinung. Denn sie haben wegen ihrer grösseren Masse auch mehr Energie, wenn sie herunterfallen. Mit dieser Annahme werden auch die Gefahrenszenarien erstellt.

Doch am Flüelapass zeigt sich heute, dass die Bruchstücke vom 200-Kilogramm-Stein weiter rollen und springen als der 820-Kilogramm-Stein. «Woran das genau liegt, ist noch unklar. Es kann an der Beschaffenheit des Geländes liegen», so Yves Bühler. «Vielleicht ist es aber auch ein Grundprinzip, wir werden das jetzt erforschen.»

Und schon ist Yves Bühler wieder weg, denn der Helikopter hat den nächsten Stein nach oben transportiert, zur kleinen Startrampe. Dort nehmen seine Kollegen den Brocken in Empfang und lassen ihn erneut den Hang hinunterstürzen. Es rumpelt und kracht – die Forscher sind heute zufrieden.

Sendung: Radio SRF, Echo der Zeit, 17.10.2017, 18 Uhr

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