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Forschung Wieso es ohne Schafe vielleicht keine Seidenstrasse gäbe

Wenn Wanderhirten mit ihren Schafen unterwegs sind, dann zählt nur eins: Wo ist der nächste Flecken Grün? Laut einer neuen Studie hat diese Logik entschieden, wie sich die Seidenstrasse durch Zentralasien windet.

  • Die Seidenstrasse war ein riesiges Geflecht aus unzähligen Karawanenstrassen, die sich quer durch Asien und Europa zogen.
  • Ein Artikel der Fachzeitschrift «Nature» zeigt: Vor allem nomadische Viehhalter haben beeinflusst, welche Wege die ersten Händler über die Berge genommen haben.
  • Um den Einfluss aufzuzeigen, simulierten die Forscher in einem Computermodell, wie sich die Hirten bewegt haben.

Die Seidenstrasse existierte nie wirklich. Zumindest nicht als Strasse. Die legendäre Handelsroute war vielmehr ein riesiges Geflecht aus unzähligen Karawanenstrassen, die sich quer durch Asien und Europa zogen – von China bis in die grossen Handels-Metropolen am Mittelmeer.

Ein Weg durch die unwirtlichste Gegend

Seide war wohl die exotischste Ware, die bis ins 13. Jahrhundert auf diesem Weg nach Europa kam. Aber auch Papier, Porzellan oder Tee kennen wir hierzulande dank der Seidenstrasse.

Sie führte durch eine der unwirtlichsten Gegenden der Welt – und mittendrin lagen die rauen und schneebedeckten Berge Zentralasiens, die den Osten vom Westen trennten. Für die Händler damals war es entscheidend, diese Barriere zu überwinden.

Wanderpfade im Gebirge
Legende: Mitten in Kasachstan: Auf solchen Hirten-Pfaden gelangten die Waren von Asien nach Europa. Michael Frachetti

Hirten ebneten die Seidenstrasse

Zum Glück für sie gab es Menschen, die sich in den Bergen exzellent auskannten: die nomadischen Viehhalter. Die Pfade, die sie und ihre Tiere vor über 4000 Jahren traten, haben offenbar beeinflusst, welche Wege die ersten Händler über die Berge genommen haben.

Zu diesem Schluss kommen Forscher um den Anthropologen Michael Frachetti in einem Artikel der Fachzeitschrift «Nature».

«Ohne die Viehhalter in den Bergen wäre die Seidenstrasse wohl sehr anders verlaufen», sagt Frachetti und fügt vorsichtig hinzu: «Vielleicht wäre sie noch nicht einmal entstanden».

Grünflächen weisen den Weg

Um den Einfluss der Wanderhirten aufzuzeigen, simulierten er und seine Kollegen in einem Computermodell, wie sich die Herden damals zwischen den hochgelegenen Sommerweiden und den tiefergelegenen Winterweiden durch die Berge bewegt haben.

Franchetti geht davon aus, dass die Hirten nicht einfach den leichtesten und schnellsten Weg nahmen, sondern sich von der Logik ihrer Tiere leiten liessen. Und Schafe oder Ziegen müssen vor allem Fressen. Welchen Weg die Schäfer wählten, hing also davon ab, wo sie eine geeignete Futterfläche für ihr Vieh fanden.

Gemäuer im Gebirge
Legende: Karawanen-Herberge auf der Seidenstrasse: Die Karawanserai Tash Rabat gehört zu 258 historischen Stätten, anhand derer die Forscher ihre These überprüften. Michael Frachetti

Wie Schafe durch die Berge fliessen

Mit einem Algorithmus, der normalerweise berechnet, wie Wasser fliesst, simulierten Michael Franchetti und seine Kollegen den «Fluss der Schafe» durch die Berge.

Gleichzeitig fütterten sie den Computer mit Daten heutiger Satellitenbilder, damit er wusste, wo es gute Weidestellen gibt. Die Simulation liessen sie anschliessend so häufig laufen, bis sie die Bewegungen der Hirten über 500 Jahre – das sind rund 20 Generationen – berechnen konnten.

Klares Ergebnis

Das Ergebnis zeigt, dass die Wanderpfade der Hirten tatsächlich die Entwicklung der Seidenstrasse in den Bergen Zentralasiens beeinflusst hat: Der Verlauf der errechneten Pfade deckt sich zu drei Vierteln mit der Lage der 258 historischen Stätten der alten Handelsstrasse.

So haben uns wohl Schäfer, die eigentlich nur ihrem Alltag nachgingen, zu unserer morgendlichen Tasse Tee verholfen.

Sendung: Wissenschaftsmagazin, 11.3.2017, Radio SRF 2 Kultur, 12.38 Uhr

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