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100 Jahre KP in China «Zählt die von uns gewählte Demokratie nicht?»

In speziellen Seminaren werden die Parteikader Chinas weitergebildet. Kritisches Hinterfragen ist nicht auf dem Stundenplan.

An der Wand eine Power-Point-Präsentation, davor spricht ein Dozent vom Glauben an den Marxismus und an den Kommunismus. Mehrere Dutzend mittelalterliche Frauen und Männer sitzen hinter langen Pulten, schreiben fleissig mit.

Parteischule für hohe Kader in Yan'an.
Legende: Parteischule für hohe Kader in Yan'an. SRF

Der Vorlesungssaal gehört zur «China Executive Leadership Academy», was nach einem Business Seminar für Manager klingt. Doch hier sitzen nicht Führungskräfte, sondern kommunistische Kadermitarbeiter.

Yan'an ist die heilige Stätte der Partei

Die chinesische Stadt Yan'an, die früheren Revolutionsbasis der Kommunisten, von wo aus Mao Zedong und seine Mitstreiter China eroberten, gilt deshalb auch als heilige Stätte der Partei.

Für die Kadermitarbeiter ist es eine Ehre, hier ein Seminar zu belegen. So auch für Ma Jianhui. Der 50-jährige ist Vize-Chefredaktor einer bekannten Parteipublikation.

Die kommunistischen Kadermitarbeiter werden hier geschult.
Legende: Die kommunistischen Kadermitarbeiter werden hier geschult. SRF

Mit den Theorien und der Partei-Doktrin ist er bestens vertraut. Im zweiwöchigen Seminar werden die Kader zusätzlich in Parteigeschichte geschult, bereits Gelerntes wird aufgefrischt.

Dass Ma Jianhui in der Ideologie gefestigt ist, zeigt seine Antwort, auf die Frage, wie er das 100-Jahr-Jubiläum der Partei sehe: «Unsere Partei hat sich ganz dem Dienst am Volk verschrieben. Ihre grossartigen Erfolge der letzten 100 Jahre zeigen dies. Diese Partei ist die Partei der Bürgerinnen und Bürger, und wird von diesen voll und ganz unterstützt.»

Andere Meinungen haben keinen Platz

Dass Menschen mit anderen Meinungen zensuriert werden, Dissidenten verfolgt und weggesperrt werden, ist hier alles kein Thema.

Professorin Feng Jianmei unterrichtet an der kommunistischen Akademie.
Legende: Professorin Feng Jianmei unterrichtet an der kommunistischen Akademie. SRF

Auf kritische Nachfragen ist Professorin Feng Jianmei an der Akademie vorbereitet, etwa auf die Frage, weshalb China keine Demokratie sei. «Meiner Meinung nach gibt es für die Demokratie nicht nur eine fixe Definition, sondern verschiedene. Zählt denn die von uns gewählte Demokratie nicht? Das ist doch nicht richtig. Ich hoffe, dass Sie China und die Menschen hier verstehen und fair beurteilen.»

Wie Einparteienherrschaft mit einer Demokratie zusammenpasse, will ein Journalist wissen. Dieser Begriff sei nicht korrekt, sagt Professorin Feng. Denn viele wissen nicht, dass es in China mehrere kleinere Parteien gibt. Doch die Macht bleibt bei der kommunistischen Partei.

Parteikritikerin lebt nun im Exil

Doch es gibt sie natürlich, die kritischen Parteimitglieder. Eine der bekanntesten war Cai Xia. Die ehemalige Professorin der Parteihochschule in Peking erlaubte es sich, Xi Jinping zu kritisieren. Inzwischen lebt sie im Exil in den USA.

Dazu mag Professorin Feng nichts sagen, sie kenne Cai Xia gar nicht. Stattdessen will sie den angereisten Journalistinnen und Journalisten etwas auf den Weg mitgeben: «Wir gewöhnlichen Bürgerinnen und Bürger, die hier in China leben, wir sind sehr glücklich und zufrieden. Aber die ausländischen Medien berichten ganz anders über uns. Das führt dazu, dass viele diesen Berichten nicht trauen. Ich hoffe, dass es mehr positive Berichterstattung gibt.»

Kein Raum für kritische Fragen

Die Botschaft ist klar: Kritische Berichterstattung ist nicht erwünscht. Und das deckt sich auch mit dem Eindruck der Parteischule. Raum für Grautöne, individuelle Interpretationen oder gar ein kritisches Hinterfragen des Systems sind nicht vorgesehen. Stattdessen werden die Seminarteilnehmerinnen und Teilnehmer auf Loyalität getrimmt. Damit die Partei die nächsten hundert Jahre an der Macht bleibt.

Rendez-vous 29.06.2021

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