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100 Tage Regierung in Italien Noch praktisch nichts erreicht – und trotzdem gepunktet

100 Tage sind seit der Vereidigungszeremonie im Quirinalspalast verstrichen – nach den vollmundigen Ankündigungen ist die Bilanz aber eher dürftig.

Angefangen mit dem Regierungschef und Ministerpräsidenten: der Jurist Giuseppe Conte ist nicht nur parteilos, er ist auch farblos und steht von Anfang an unter der strengen Kontrolle seiner Vize.

Die wahren Strippenzieher dieser Regierung sind und bleiben Luigi di Maio und Matteo Salvini. Die Punkte ihres Koalitionsvertrags bleiben aber grösstenteils unangetastet. Den Ankündigungen und Vorschlägen im Wahlkampf folgt bislang nichts. Einzig ein Dekret zum Schutz und der Ausweitung von Zeitverträgen für Arbeitnehmer wird verabschiedet, was gleichzeitig aber eine teilweise Rücknahme der Arbeitsmarktreformen der Vorgängerregierung von Matteo Renzi bedeutet.

Die versprochenen Wahlprogramme

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Im Wahlkampf versprachen die beiden Parteien den Wählern Programme, die in ihrer Summe jeden haushaltspolitischen Rahmen sprengen:

  • Die Cinquestelle haben mit einer 20-Punkte-Reform Wahlkampf gemacht: Steckenpferd ist das staatliche Grundeinkommen für Sozialschwache, aber auch mehr Dienstleistungen im öffentlichen Gesundheitssystem. Finanziert soll das durch weniger Kosten im Staats- und Politikapparat und die Streichung «unnützer» Grossprojekte wie der Bau der Hochgeschwindigkeitsstrecke Turin-Lion oder der Gaspipeline TAP von Albanien nach Apulien in Süditalien.
  • Matteo Salvini und seine Lega haben sich auf 10 Punkte beschränkt: darin niedrigere Steuern, eine niedrigeres Renten-Eintrittsalter, eine Schliessung der Grenzen und Küsten für Migranten und Flüchtlinge und mehr Ausgaben für die Innere Sicherheit.

Wird Koalitionsvertrag umgesetzt, droht grosse Verschuldung

Ein grosses Thema ist auch der Haushalt: Viel Spielraum bleibt der Regierung nicht, will sie die von Europa geforderten Haushaltsvorgaben einhalten. Sollte aber nur ein Teil des Koalitionsvertrages umgesetzt werden, müsste Italien sich über alle Grenzen hinaus verschulden – mit unvorhersehbaren Folgen nicht nur in Brüssel, sondern auch auf den internationalen Finanzmärkten.

Bislang hört man aus Rom aber nur Säbelrasseln. Fraglich, ob sich die neuen «Systemveränderer» mit der EU und den internationalen Kreditgebern wirklich anlegen wollen.

Salvini will Kräfteverhältnisse in Europa verändern

Mehr als Säbelrasseln hat bislang nur Matteo Salvini veranstaltet. Beim Thema Migration fordert er Europa offen heraus. Er will privaten Hilfsschiffen und sogar der eigenen Küstenwache die Einfahrt in italienische Häfen verweigern, wenn weiterhin im südlichen Mittelmeer vor der Küste Libyen Menschen in Seenot gerettet werden.

Das Thema Migration scheint europa- und innenpolitisch für Matteo Salvini aufzugehen. Seine Umfragewerte steigen. Mittlerweile ist er beliebtester Politiker und seine Lega stärkste Partei – zum Leidwesen der Cinquestelle und Luigi Di Maio. Sie müssen abgeben.

Koalition leidet an Missverhältnis der Aufgabenteilung

Der Einsturz der Morandi-Brücke Mitte August in Genua hat den Handlungsspielraum des Koalitionspartners noch einmal eingeengt. Denn das Dossier Infrastruktur ist in der Regierung Ressort der Cinquestelle. Die Tragödie zeigt aber nicht nur das ganze Ausmass der desolaten Infrastruktur Italiens, Kompetenzverstrickungen und Mangel der Überwachung auch in staatlichen Stellen.

Es zeigt auch, wie die Privatisierung in Italien wieder einmal wenigen Playern zu enormen Vorteil verholfen hat. Das Rückgängigmachen zum Beispiel durch die Aufgabe der Autobahnkonzessionen bedeutet langes juristisches Tauziehen.

Philipp Zahn

Auslandredaktor

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Philipp Zahn ist Teil der TV-Auslandredaktion von SRF. Davor berichtete er als Korrespondent aus Italien, Griechenland und der Türkei. Zahn studierte Geschichte, Volkswirtschaft und Philosophie in Berlin und Siena.

Die Cinquestelle haben sich mit Arbeit, Sozialem und jetzt der Brücke in Genua komplizierte Dossiers herausgesucht. Matteo Salvini macht es sich da einfacher: Er konzentriert sich auf das Thema Migration und punktet in der rechtsnationalen Wählerschaft mit plakativen Forderungen. So hat er die ethnischen Zählung der Roma, der grössten Gruppe der Fahrenden in Italien, vorgeschlagen. Ihnen wird immer wieder Kleinkriminalität vorgeworfen.

Unter diesem Missverhältnis der Aufgabenteilung leidet eine Koalition, die eigentlich aufgebrochen war, Italien grundlegend zu verändern. Was sich bislang verändert, sind nur die politischen Kräfteverhältnisse innerhalb der Regierung. Davon haben aber die Bürger nichts.

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