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International «Afghanisches Volk geht durch die Hölle»

Der Druck der Taliban und nun auch der Terrorgruppe IS im Osten macht das Leben in Afghanistan immer gefährlicher. Die Sicherheitslage rund um verschiedene Provinzhauptstädte sei sehr schlecht, berichtet Südasien-Korrespondentin Karin Wenger. Der Verbleib von US-Truppen werde entsprechend begrüsst.

Ursprünglich wollte US-Präsident Barack Obama die meisten Soldaten aus Afghanistan noch in seiner Amtszeit abziehen. Nun wird der Abzug gestoppt. Die 9800 stationierten US-Soldaten werden noch mindestens für ein Jahr, aber vermutlich länger im Land bleiben. Einschätzungen von Südasien-Korrespondentin Karin Wenger.

SRF News: Wie reagiert die afghanische Regierung auf Obamas Entscheid?

Karin Wenger: Mit Freude. Der stellvertretende Präsidentensprecher spricht von einer wichtigen Hilfe im Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Dazu ist zu sagen, dass die Taliban ganz klar eine nationale Bewegung sind mit dem Ziel, die ausländischen Truppen aus dem Land zu werfen.

Präsident Ashraf Ghani hat sich noch nicht geäussert, doch auch er wird den Entscheid willkommen heissen. Bereits im März hatte er in Washington für einen längeren Verbleib der US-Truppen im Land geworben. Der verlangsamte Abzug hat also bereits vor Monaten eingesetzt. Als kürzlich die Taliban die Provinzhauptstadt Kundus überrannten, war das ein deutlicher Weckruf.

Wie ist die Sicherheitslage in Afghanistan?

Es steht allgemein sehr schlecht. Kundus gelangte in die internationalen Schlagzeilen, weil es die erste Provinzhauptstadt war, die in die Hände der Taliban fiel und erst nach zwei Wochen zurückerobert werden konnte. Viele andere Vorstösse der Taliban werden nie so weit bekannt. So versuchten sie etwa auch, die Provinzhauptstadt Ghazni einzunehmen, und sie kontrollieren bereits grosse Gebiete ausserhalb anderer Provinzhauptstädte. Im Osten des Landes wird zugleich die Terrorgruppe IS immer stärker. All diese Kämpfe machen das Leben der Zivilisten in Afghanistan zur absoluten Hölle.

Erneut mussten dieses Jahr hunderttausend Menschen ihre Häuser verlassen und sind nun im eigenen Land auf der Flucht. 5000 Zivilisten wurden in den ersten sechs Monaten getötet oder verletzt. Das bedeutet eine dramatische Verschlechterung der Sicherheitslage seit dem Abzug der meisten Nato-Truppen im vergangenen Jahr.

Was können die 9800 US-Soldaten ausrichten, die nun länger bleiben werden?

Karin Wenger

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Karin Wenger ist seit Frühling 2016 Südostasien-Korrespondentin von SRF in Bangkok. Sie berichtet über Indonesien, Malaysia, Philippinen, Thailand, Burma, Vietnam und weitere südostasiatische Länder. Wenger lebte zuvor sechs Jahre lang in der indischen Hauptstadt Neu Delhi. Früher berichtete sie als freie Journalistin aus dem Nahen Osten.

Sie werden wie bereits in den letzten Monaten als Ausbildner und Berater arbeiten. Dazu unterstützen sie die afghanischen Sicherheitskräfte auch mit Luftangriffen. Sehr viele afghanische Soldaten beklagen sich, dass sie oft auf verlorenem Posten stünden, weil sie keine Helikopter oder Kampfjets mehr zur Hilfe rufen könnten. Das wird sich sicher etwas ändern.

Warum war der von den USA geplante Aufbau einer schlagkräftigen Armee bisher nicht erfolgreich?

Man kann nicht sagen, dass dies nicht erfolgreich war. Aber die Erwartungen waren zu hoch, und die Landeskenntnisse wohl auch etwas zu schlecht: Man glaubte, aus dem Nichts heraus in einem kriegsversehrten und zerrissenen Land in ein paar Jahren eine schlagkräftige nationale Sicherheitstruppe aufbauen zu können. Das hat nicht funktioniert.

So wurden unter anderem sehr zwielichtige Gestalten mit Waffen ausgestattet. Auch fehlte und fehlt es immer noch an Disziplin und Kommandostrukturen. Viele Truppen sind noch schlecht ausgerüstet. Die internationale Präsenz wird deshalb sehr viel länger andauern, als dies Obama angekündigt hat.

Sind Friedensverhandlungen mit den Taliban kein Thema mehr und alles steht auf Konfrontation?

Audio
Prekäre Lage in Afghanistan
aus SRF 4 News aktuell vom 16.10.2015.
abspielen. Laufzeit 5 Minuten 39 Sekunden.

Nein, denn das schliesst sich gegenseitig nicht aus. In Afghanistan kämpfen die Taliban seit 2001 gegen die internationalen Truppen und die nationalen Sicherheitskräfte. Gleichzeitig nehmen Taliban-Delegationen immer wieder an Friedensverhandlungen teil. Vor ein paar Monaten gab es sehr hoffnungsvolle Zeichen. Dann kam es zum Bruch, als klar wurde, dass Taliban-Führer Mullah Omar seit Jahren tot ist.

Mit Mullah Akhtar Mansour haben die Taliban nun seit Juli wieder einen neuen Führer, der mit einer Stimme sprechen und entscheiden kann. Ein beständiger Friede wird nur zusammen mit den Taliban möglich sein. Dazu braucht es Gespräche. Diese werden nur Erfolg haben, wenn sich alle als Gewinner fühlen können.

Das Gespräch führte Barbara Peter.

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