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Aktivismus vor Amtsübergabe Politologe: «Trump versucht, an seinem Vermächtnis zu arbeiten»

Noch immer weigert sich Präsident Donald Trump, die Wahl von Joe Biden öffentlich einzugestehen. Aktiv ist er dafür auf anderen Gebieten. Er fällt Personalentscheide, vergibt Bohrlizenzen in Alaska oder kündigt an, Truppen aus Afghanistan und Irak abzuziehen. Laut dem Politologen Stephan Bierling zielt Trump damit einzig darauf ab, seine Wählergruppen zu befriedigen.

Stephan Bierling

USA-Experte

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Bierling lehrt seit 2000 als Professor für Internationale Politik an der Universität Regensburg und leitet die Professur für Internationale Politik und transatlantische Beziehungen. Er ist als Analyst der US-Innen-, Wirtschafts- und Aussenpolitik für diverse Medien tätig.

SRF News: Wie erklären Sie sich Trumps Aktivismus der letzten Tage?

Stephan Bierling: Das ist nicht schwer zu erklären. Er hat bestimmte Wählergruppen, deren Anliegen er versprochen hat, zu befriedigen. Er hat den Abzug aus allen Kriegen versprochen. Er hat versprochen, zu deregulieren. Und jetzt will er den Wirtschaftsliberalen, den Wutbürgern und auch den Evangelikalen noch etwas bieten in seinen letzten Tagen im Amt.

Viele seiner Entscheide betreffen die Aussenpolitik. Weshalb?

Dort hat Trump bisher am wenigsten erreicht. Die Rückholung aller Truppen, die er versprochen hat, hat nicht stattgefunden. Er hat sogar im Irak gegenüber Iran sehr viel mehr Aktivität entfaltet. Das heisst, jetzt hat er die letzte Gelegenheit, die USA auf den Weg zu führen, den er versprochen hat.

Der Truppenabzug ist ein Wahlkampfversprechen von 2016. Wieso jetzt?

Zum einen versucht Trump, an seinem Vermächtnis zu arbeiten. Er weiss, dass er am 20. Januar aus dem Präsidentenamt ausscheiden wird. Er will aber weiter eine wichtige Kraft in der Republikanischen Partei bleiben.

Er will den Wirtschaftsliberalen, den Wutbürgern und auch den Evangelikalen noch etwas bieten in seinen letzten Tagen im Amt.

Es wird über seinen Wiederantritt für die Wahlen 2024 spekuliert. Das heisst, er muss seine Kernklientel, die ihn ins Weisse Haus gehievt hat, bei der Stange halten. Also bietet er ihnen nochmals alles, was sie von ihm erwarten.

Mit Mike Pompeo besucht erstmals ein US-Aussenminister umstrittene Siedlungen im Westjordanland und auf den Golanhöhen. Wieso das?

Trump geht es bei der gesamten Aussenpolitik immer nur um seine Wahlchancen im Inneren. Der Besuch der Siedlungen ist eine Initiative, um eine zweite wichtige Wählergruppe, die Evangelikalen, die Trump ganz überwältigend gewählt haben, bei der Stange zu halten. Sie sind absolut loyal, nicht nur zu Israel, sondern auch zur expansiven Politik in den besetzten Gebieten. Insofern ist es ein weiteres Signal an diese Gruppe.

Diese Möglichkeiten hat Joe Biden

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Theoretisch kann Joe Biden alles schnell rückgängig machen, wie Stephan Bierling erklärt. «Was Trump im Moment so durch präsidiale Direktiven anordnet, könnte er am 20. Januar um 12 Uhr mittags, wenn er eingeschworen ist, mit einem Federstrich zurücknehmen.» In der Praxis sei das aber schwierig.

«Wenn Truppen erst einmal zurückverlegt sind, kann man sie nicht so schnell neu entsenden», gibt er zu bedenken. Auch werde Biden relativ wenig Interesse haben, als Präsident zu gelten, der amerikanische Truppen wieder in grosser Zahl ins Ausland schickt. «Er wird innenpolitisch mit der Corona-Pandemie und der Wirtschaftskrise die Hände voll haben.»

Das heisst: «Viel von dem, was Trump jetzt anrichtet, wird nicht so schnell zurückzunehmen sein, sondern es wird relativ lange dauern, bis Biden sich auch um viele dieser Fragen mit voller Aufmerksamkeit kümmern können wird.»

Trump will bei der umstrittenen Förderung von Öl und Erdgas in einem Naturschutzgebiet in Alaska vorwärtsmachen. Aus demselben Grund?

Ja. Die dritte wichtige Wählergruppe, die er 2016 hatte, sind die Wirtschaftsliberalen. Ihnen hat er Steuersenkungen, Deregulierungen, Abbau von Auflagen im Sozialbereich, aber auch im Umweltbereich versprochen. Die Öffnung der Naturschutzgebiete für die Öl- und Gasförderung ist genau das.

Mit jeder Stunde, in der Trump etwas ankündigt, das Amerika nicht in der Welt engagiert hält, wird die Verhandlungsposition der USA schwächer.

Auch da will er zum Ende der Amtszeit Pflöcke einschlagen, um die Gruppe an sich zu binden. Das gibt ihm Macht, auch in der Zeit nach der Präsidentschaft.

Trump bedient auf den letzten Metern noch einmal seine Klientel. Strategisch gesehen scheint er sich doch Einiges überlegt zu haben.

Wahlstrategisch ist es ganz clever, was er macht, aber für die weltpolitische Situation der USA ist es eine Katastrophe. Seine engsten Sicherheitsberater, auch viele Abgeordnete der Republikaner, sind gegen den Truppenabzug aus Afghanistan, Somalia und Irak, weil Trump damit Verhandlungsmasse abbaut. Es laufen Gespräche zwischen den USA und den Taliban in Katar. Und mit jeder Stunde, in der Trump etwas ankündigt, das Amerika nicht in der Welt engagiert hält, wird die Verhandlungsposition der USA schwächer.

Das Gespräch führte Salvador Atasoy.

SRF 4 News, 18.11.20020, 07.20 Uhr ; 

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