Er wird sich gefreut haben: Matteo Salvini, Italiens Innenminister und Chef der rechten Lega Nord – erklärter Gegner der «Gutmenschen», die zweieinhalb Jahre lang im südlichen Mittelmeer Menschenleben gerettet haben.
Denn die 77 Meter lange «Aquarius» bleibt weiterhin im südfranzösischen Marseille – ohne Flagge und gültigen Eintrag in das internationale Schifffahrtsregister. Damit endet der verzweifelte Versuch der Hilfsorganisationen «Ärzte ohne Grenzen» und «SOS Méditerranée», trotz politischem Druck und Ermittlungen durch die italienische Staatsanwaltschaft, ihren Rettungseinsatz für Flüchtlinge und Migranten im südlichen Mittelmeer fortzusetzen.
Noch im Juni 2018 sorgte die «Aquarius» für Schlagzeilen, als sie nach einer Irrfahrt mit 629 Migranten erst nach neun Tagen und vielen Verhandlungen mit Malta, Italien, Frankreich und Spanien endlich den Hafen von Valencia anlaufen durfte.
Drastischer Rückgang an Flüchtlingen und Migranten
Vorausgegangen war ein Kräftemessen zwischen Italien und der Europäischen Union – nachdem die Regierung in Rom für sämtliche private Rettungsorganisationen die italienischen Häfen gesperrt hatte. Die rechte «Lega» und die populistischen «Cinquestelle» wollten damit ein Exempel statuieren. Italien werde nicht mehr als «Flüchtlingslager» herhalten: Die europäischen Partner müssten sich solidarisch erklären und feste Zusagen machen für eine Umverteilung künftiger Flüchtlinge und Migranten, die über die südliche Mittelmeerroute von Libyen Richtung Italien aufbrechen.
Ungeachtet dieser politischen Ankündigungen zeigen die Zahlen im Laufe des Jahres einen drastischen Rückgang: Bis einschliesslich 6. Dezember 2018 wurden nur knapp 13'000 Flüchtlinge und Migranten registriert, die mit meist seeuntauglichen Booten an Libyens Küsten aufgebrochen waren und auf See gerettet werden mussten. Im gleichen Zeitraum 2017 waren es noch 105'000 – also achtmal mehr. Im «Flüchtlingsjahr» 2016 hatte Italien sogar fast 175'000 Flüchtlinge und Migranten aufgenommen.
In drei Jahren fast 30'000 Gerettete
Doch trotz des drastischen Rückgangs der Zahlen wollte der italienische Innenminister den privaten Rettungsorganisationen, wie er selbst sagte, das «Handwerk legen». Dabei konnte Matteo Salvini auch auf politisch nahestehende Staatsanwälte zählen. Erst ermittelten diese gegen die Besatzung der «Aquarius» wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung, zuletzt sogar wegen der rechtswidrigen Entsorgung von «Sondermüll» – gemeint waren Kleidungsstücke und der Abfall der aus dem Meer Geretteten. Seit Februar 2016 waren das fast 30'000 gerettete Erwachsene und Kinder.
Doch keine der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in Catania hat bislang zu einem Gerichtsverfahren geführt. Erreicht aber wurde, dass der «Aquarius» ihre Flagge entzogen wurde. Auch ein letzter Versuch von Parlamentariern in Bern, das Rettungsschiff unter Schweizer Flagge zu stellen, wurde vom Bundesrat abschlägig entschieden. Die Seenotrettung im Mittelmeer «verlange nach einem koordinierten und langfristig ausgerichteten Ansatz» – so die Begründung. Kein Staat in Europa hat sich bereit erklärt, die «Aquarius» unter eigene Flagge zu stellen.
2018 sind nach Angaben der UNO-Organisationen über 2100 Menschen im Mittelmeer ertrunken.