Philippe und Marie-Claude schlendern über den Platz, wo einmal ihr Haus stand, und diskutieren über die Zukunft. Dazu werde der wohl grösste Barbecue-Grill der Gegend gehören, sagen sie. In den Überresten des mächtigen Bachsteinkamins ihres abgebrannten Hauses will Philippe einen Grill einrichten. Oder einen Pizzaofen. So genau wüssten sie das noch nicht, sagt er. Sie liessen sich Zeit mit dem Wiederaufbau. Auf jeden Fall blickten sie optimistisch in die Zukunft. Was geschehen sei, liesse sich nicht ändern. Jetzt müsse es einfach weitergehen.
Rückblick auf einen höllischen Sommer
31. Dezember 2019. Ein Feuersturm überrollt die Gegend rund vier Stunden südlich von Sydney. Eines von mehreren Infernos während eines wahrhaft höllischen Sommers in Australien. Die Brände sind so gross, so unberechenbar, dass die Feuerwehr machtlos ist. Der Kern des Dorfes Cobargo geht in Flammen auf. Auf den Feldern verbrennen tausende von Tieren – Rinder, Schafe.
Dazwischen das 1871 gebaute Haus des Ehepaars Ravenel. Es explodiert buchstäblich, derart heiss sind die Flammen. Sogar das gusseiserne Fondue-Caquelon schmilzt. Die Ravenels sind zum Glück weg. Als sie heimkommen, haben sie kein Heim mehr. Nur die Schlosserei des Kunstschmieds Philippe, die steht noch. Wochenlang leben die beiden von der Fürsorge. Ein Zelt wird zum Zuhause. Beim Roten Kreuz holen sie sich gespendete T-Shirts. Und Konservendosen mit weissen Bohnen.
Marie-Claude erinnert sich mit erstaunlicher Gelassenheit an diese schwierige Zeit. Es sei okay gewesen, weil sie und Philippe über die Situation hätten sprechen können. Marie-Claude, eine Massagetherapeutin, sei sofort wieder arbeiten gegangen, habe sich beschäftigt gehalten.
So auch Philippe. Der Schmied baute in seiner Schlosserei eine kleine Wohnung. Dort leben die beiden jetzt, sehr komfortabel eigentlich, mit Fernseher, Kaffeemaschine und einem Schweizer Brezeleisen, welches das Feuer überstanden hatte.
Auch Philippe sagt, dass sie beide über das Erlebte reden konnten, und weiterhin können, das sei das A und O. Andere, die allein durch das Trauma gehen mussten, ihnen gehe es schlechter. Sozialdienste melden noch heute hohe Zahlen von Menschen, die psychologische Hilfe brauchen.
Gebrochene Herzen und Lichtblicke
Fälle von Suizid hätten sich gehäuft. Und es gäbe noch etwas anderes, erklärt Philippe. Das Phänomen des «gebrochenen Herzens». Menschen, die einfach nicht mehr könnten, keine Kraft mehr hätten. Sie würden an Herzversagen sterben. Einfach so.
Der Wind bläst über den Hügel, wo einst das Haus stand. Die Gegend hat viel Regen gehabt in den letzten Monaten. Die Wiesen sind grün, die Blumen blühen. Das sei auf jeden Fall gut für die Psyche, sagt Philippe. Der Brandschutt ist inzwischen weggeräumt.
Andere Feueropfer, die keine Versicherung hatten, sie wohnen noch immer in Wohnwägen, in Zelten sogar. Philippe und Marie-Claude waren zwar unterversichert, aber für ein kleines Haus, dafür reiche es schon. Mit Barbecue natürlich. Oder einem Pizzaofen.