Es ist die perfekte Idylle, wie sie sich so oft in kenianischen Nationalpärken präsentiert. Zebras und Impalas stehen in rauen Mengen unter Akazienbäumen, auf denen bunt schillernde Vögel zwitschern.
Die Wellen des Lake Nakuru schlagen leise plätschernd ans Ufer. Doch eines stört das Safaribild: die Hausdächer, die unweit vom Ufer aus dem Wasser ragen. Es ist das Hauptquartier des Kenya Wildlife Service (KWS). Seit 2014 versinkt es langsam, aber stetig im Lake Nakuru, dem See, der in den letzten sieben Jahren auf seine doppelte Grösse angewachsen ist.
Das stellt den für die Nationalpärke zuständigen KWS vor grosse Herausforderungen. «Unsere Infrastruktur hier im Nationalpark wurde komplett zerstört. Wir mussten ziemlich viel Geld ausgeben, um die Strassen und Gebäude neu zu bauen», erklärt Joseph Edebe, Hydrologe beim Kenya Wildlife Service
Keine Algen bedeuten keine Flamingos
Joseph Edebe sitzt mit Maske auf einer Bank auf einem Hügel im Nakuru-Nationalpark. Von hier aus hat man einen guten Überblick auf all die Bäume, die mittlerweile im Wasser stehen. Von hier aus würde man normalerweise auch Tausende Flamingos sehen, für die der Nationalpark bekannt ist. Die jedes Jahr Tausende Touristen angelockt hatten, ja weswegen der Nationalpark gar zum Weltkulturerbe erkoren worden war.
Doch die Flamingos sind kaum mehr hier. «Weil der Wasserpegel derart gestiegen ist, hat sich auch die Wasserqualität verändert. Es gibt nicht mehr genug Algen und somit nicht genug Futter für die Flamingos», erläutert der Wasserexperte.
Krokodile in den Dörfern
Nicht nur der Lake Nakuru ist betroffen, alle acht Seen im Rift Valley wachsen sehr schnell. Das ist beunruhigend, weil Infrastruktur, Industrie, aber auch Häuser und ganze Existenzen verloren gehen. Wie zum Beispiel 130 Kilometer nördlich, am weit grösseren Lake Baringo, so Hydrologe Edebe: «Ganze Dörfer, Schulen, Spitäler und Kirchen stehen dort unter Wasser.»
Allein dieses Jahr haben am Lake Baringo mindestens 5000 Personen ihr Zuhause verloren, auch Ackerland, Hotels und Feriencamps gingen verloren. Die Region ist vom Tourismus abhängig. Der Wasserpegel des Lake Baringo ist in den letzten sieben Jahren mehr als zehn Meter gestiegen.
Und plötzlich gebe es da auch ganz andere Gefahren, so Joseph Edebe: «Die Krokodile sind immer am Seeufer. Wenn das Seeufer nun inmitten von Dörfern liegt, dann sind die Krokodile eben dort und stellen eine Gefahr für die Dorfbewohner dar.» Ein Hirte wurde kürzlich von einem Krokodil getötet.
Auch wird befürchtet, dass mit steigendem Wasserpegel der Süsswassersee Lake Baringo bald mit dem stark salzhaltigen Lake Bogoria zusammenlaufen könnte. Das wäre eine ökologische Katastrophe. An den Ufern des Lake Naivasha stehen bereits diverse Blumenfarmen unter Wasser. Sie sind ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Region, die Rosen aus Naivasha sind auch in der Schweiz bei Migros und Coop zu finden.
Genaue Ursachen unklar
Die Auswirkungen der immer grösser werdenden Seen sind klar sichtbar. Doch die Ursachen sind weit weniger klar. Die überdurchschnittlichen Regenfälle in Ostafrika spielen natürlich eine wichtige Rolle. Im letzten Herbst gab es so viel Regen in Kenia wie seit Jahrzehnten nicht mehr, in einigen Regionen im letzten Jahr bis vier Mal mehr.
Doch auch die tektonischen Platten im chronisch aktiven Rift Valley könnten eine Rolle spielen, ebenso Entwaldung und die zunehmende Besiedlung nahe an den Seen. Bäume funktionieren wie Schwämme und können dadurch das Wasser regulieren. Wenn sie fehlen, werden mit den Fluten auch mehr Sedimente in die Seen gespült.
Kommt hinzu, dass die Stadt Nakuru in den letzten Jahren stark gewachsen ist. Das Wasser, das dort gebraucht wird, kommt nicht vom See, aber es landet dort. Somit endet mehr Wasser im Lake Nakuru. Was ausschlaggebend ist, weiss zurzeit noch niemand. Die kenianische Regierung hat eine Task Force beauftragt, Licht ins Dunkel zu bringen.
Fische als Geschenk Gottes
Zurück am Ufer des Lake Nakuru erzählt Joseph Edebe vom Kenya Wildlife Service, dass die starken Regenfälle eine neue Fischart aus einer Farm in den See gespült hätten: «So können einige Menschen im sonst fischarmen See hier nun fischen. Sie sagen, das sei ein Geschenk Gottes, damit sie mit der Corona-Pandemie klarkommen.»
Gottes Segen oder doch ein Fluch? Was die wachsenden Seen im Rift Valley für Kenia auf längere Sicht bedeuten, werden erst die nächsten Jahre zeigen.