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Berliner Goldmünzen-Raub «Die Araber-Clans verachten unsere Justiz»

Der spektakuläre Raub der 100 Kilogramm schweren Goldmünze aus dem Berliner Bode-Museum geht mutmasslich auf das Konto einer arabischstämmigen Grossfamilie – eines sogenannten Araber-Clans. In Berlin gibt es mehrere davon. Ihre Mitglieder leben in einer Parallelgesellschaft, in der das Gesetz der Familie und nicht das des Staates gilt.

Der Politologe und Islamwissenschaftler Ralph Ghadban befasst sich schon länger mit den Berliner Araber-Clans. Im Interview erzählt er, weshalb die Clans keinen Respekt vor der westlichen Justiz haben und wie das Problem in den Griff zu kriegen ist.

Ralph Ghadban

Islamwissenschaftler und Politologe

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Ghadban ist ein deutscher Islamwissenschaftler, Politologe und Publizist. Ursprünglich im Libanon geboren, wanderte er 1972 nach West-Berlin aus. Er befasst sich schon seit mehreren Jahrzehnten mit den Berliner Araber-Clans. Zum Thema hat er auch das Buch «Arabische Clans – Die unterschätzte Gefahr» geschrieben.

SRF News: Was macht eine normale Grossfamilie zu einem Clan?

Ralph Ghadban: Sie schotten sich nach aussen komplett ab. Die Mitglieder heiraten nur untereinander, leben also das Prinzip der Endogamie. Das unterscheidet einen Araber-Clan von den üblichen Grossfamilien, wie man sie aus dem Orient kennt.

Die Berliner Araber-Clans

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Nach Schätzungen der Polizei gibt es in Berlin zirka 20 Araber-Clans mit gesamthaft rund 10'000 Mitgliedern. Sie sind für einen erheblichen Teil der Straftaten in einigen Berliner Quartieren wie Neukölln, Wedding oder Schöneberg verantwortlich. Eine Parallelgesellschaft, die sich ihre eigenen Gesetze macht. Vergangenen September wurde Clan-Chef Nidal R. beispielsweise auf offener Strasse erschossen – vermutlich wegen eines Revierstreits. Die Grossfamilien haben ihren Ursprung in den 1970er- bis 1990er-Jahren, als ihre Gründer vor dem Bürgerkrieg im Libanon nach Berlin flohen.

Diese Familien verdienen mit organisierter Kriminalität sehr viel Geld. Weshalb also dieser spektakuläre Raub in aller Öffentlichkeit, obwohl sie darauf nicht angewiesen sind?

Haupteinnahmequellen der Clans sind tatsächlich Drogen- und Schutzgelder. Die spektakulären Raubüberfälle haben neben dem finanziellen noch einen anderen Zweck. Unter den Clans herrscht ein Wettbewerb, wer der beste und der stärkste ist. Wenn man bei einem solchen Raubüberfall erfolgreich ist, gilt man als Held. Es geht also um Prestige. Und dieses kann man wiederum in Geld ummünzen. Es verleiht Macht, beispielsweise beim Eintreiben von Schutzgeldern.

Ist es denn auch eine Machtdemonstration gegenüber dem Rechtsstaat?

Ja, die Clans gehen solche Risiken ein, weil sie offensichtlich keine Angst vor dem Rechtsstaat haben. Über Jahrzehnte haben sie erfahren, dass die Justiz ziemlich milde ist. Die westliche Justiz setzt vor allem auf Resozialisierung, was die Milde in vielen Fällen rechtfertigt. Die meisten Straftäter werden irgendwann entlassen und sollen in der Gesellschaft funktionieren. Die Clans verstehen das aber nicht. Sie betrachten diese Milde als Schwäche und wer schwach ist, wird verachtet.

Viele Menschen an einer Beerdigung
Legende: Beerdigung des Clanführers Nidal R., der im September 2018 auf offener Strasse erschossen wurde. Keystone

Die Clans verachten die Justiz. Versagt hier der Rechtsstaat?

Man kann es als Versagen betrachten, muss jedoch folgendes berücksichtigen: Die Rechtssysteme in Europa sind historisch gewachsen und haben die Entwicklung der Menschen begleitet. Sie reflektieren den Entwicklungsstand einer Gesellschaft. Unsere demokratischen Gesellschaften sehen das Individuum im Zentrum. Durch die Migration kommen Gruppen aus der Dritten Welt zu uns, die die Demokratie nicht kennen. Sie sind auf unser System nicht vorbereitet. Sie kennen nur die Herrschaft des Stärkeren.

Weshalb sind die Clans so mächtig?

Es kommt von der Solidarität der Gruppe. Im Laufe der Jahrzehnte haben sie gelernt, dass sie dank der Gruppe stark sind in unserer individualisierten Gesellschaft. Deshalb treten sie immer als Rudel auf. Das ist auch ein Problem für die Polizeibeamten. Will beispielsweise ein Polizist einen Strafzettel verteilen, wird er sofort von einer riesigen Gruppe umkreist, geschubst oder die Clanmitglieder versuchen sogar seine Pistole zu klauen. Die Hauptwaffe der Clans ist die Gruppe und die benutzen sie überall.

Der Plan der Behörden gegen die Araber-Clans

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Vergangenen November haben die Berliner Behörden einen Fünf-Punkte-Plan beschlossen, wie sie das Problem der Araber-Clans in den Griff kriegen wollen.

  1. Es soll eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen der Polizei, der Staatsanwaltschaft, den Finanzämtern, Jobcentern, der Ausländerbehörde und den Jugendämtern geben.
  2. Verstärkte Gewerbe- und Finanzkontrollen zur Verhinderung von Geldwäsche.
  3. Illegales Vermögen wird eingezogen. Bei der Staatsanwaltschaft wird dafür eine Spezialabteilung gegründet.
  4. Auch kleinere Verstösse sollen konsequent verfolgt werden. Dazu gehören zum Beispiel Falschparkieren oder illegale Strassenrennen.
  5. Die Behörden wollen Konzepte entwickeln, um junge Männer vor einer kriminellen Karriere abzuschrecken und um Möglichkeiten zum Ausstieg zu bieten.

Wie kann denn die Stadt Berlin das Problem dieser Clans in den Griff bekommen?

Die Lösung heisst Integration. Dafür muss man jedoch die Clan-Strukturen sprengen. Man kann nur Individuen integrieren – keine Gruppen. Um die Clans zu sprengen gibt es bereits viele Massnahmen der Behörden. Die wichtigste betrifft das Geld. Wenn sich die Clans nicht mehr finanzieren können, dann ist dies schon ein riesiger Schritt.

Das Gespräch führte Janis Fahrländer.

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